Das Staatsorchester, eine Hetzjagd und ein teuflischer Intervall

Saarbrücken · „Sonnenschein draußen, Düsternis innen“, meinte ein Gast mit Blick aufs Programm. Recht hatte er: Das 5.

Sinfoniekonzert des Staatsorchesters mit Toshiyuki Kamioka am Sonntag in der Congresshalle in Saarbrücken weckte viele Fragen. Warum entwickelte Sibelius in seiner 4. Sinfonie alle Sätze aus dem Tritonus, dem Dreiton-Intervall, das einst als teuflisch verfemt war? Weshalb schichtete er komplizierte Rhythmen so übereinander, dass das Ergebnis nur noch kalkulierte Unordnung ist? Warum diese abrupten Satzschlüsse, wozu das banale Glockenspiel im Finale und das stereotyp weitergeführte BACH-Motiv? Spielt er womöglich auf die Bibel an, wenn gegen Ende die Oboe mit der unsanglichen großen Septime "dreimal kräht"? Die richtige Antwort von Dirigent und Orchester: Sie gaben die Partitur ungeglättet wieder, ließen die melodischen Fragmente entstehen und wieder zerfallen, trieben die spärlichen energischen Aufschwünge in die Höhe und ließen sie, partiturgemäß, gleich wieder kraftlos in sich zusammenfallen.

Wer Trost bei Tschaikowskys 6. Sinfonie erhoffte, den mochte Toshiyuka Kamiokas Interpretation zunächst ratlos machen. Bewundernswert konzentriert war der Beginn, doch spätestens im Allegro vivo raste das Tempo so, dass Präzision und Verständlichkeit arg litten. Als dann der Fünfviertel-Walzer ebenfalls recht uncharmant abrollte und der 3. Satz sich als Hetzjagd entfaltete, da meinte man Kamiokas Konzeption zu verstehen: So reagiert ein von Todesahnungen gequälter Komponist, dem ein Walzer keine Freude mehr macht, und der ein Scherzo nicht mehr als Scherz verstehen kann. Damit gab auch das betont ausgespielte bohrende Herzklopfen der Kontrabässe den Schlusstakten ihren Sinn. Viel Beifall.

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