Das Spaßige und das Röcheln

Luxemburg. "Spaßig" war das Lieblingswort, hinter dem sich Sergej Prokofiew gerne versteckte. Spaßig könnte er auch seine erste Sinfonie, die "Klassische" gemeint haben. Dirigent Valery Gergiev mit dem London Symphony Orchestra muss das am Montag in der Philharmonie so gesehen haben

Luxemburg. "Spaßig" war das Lieblingswort, hinter dem sich Sergej Prokofiew gerne versteckte. Spaßig könnte er auch seine erste Sinfonie, die "Klassische" gemeint haben. Dirigent Valery Gergiev mit dem London Symphony Orchestra muss das am Montag in der Philharmonie so gesehen haben. Ohne Taktstock, schwebend leicht und kammermusikalisch spielte er mit allen Fingern auf dem Orchester. Fein im Witz, ironisch, blitzsauber.Die Fachwerk-Baukunst hat Sofia Gubaidulina 2009 zu "Fachwerk" für Bajan, Schlagzeug und Streicher inspiriert. Das Bajan, osteuropäische Form des chromatischen Knopfakkordeons, wurde von einem ungenannten Künstler höchst virtuos und effektvoll bedient, unterstützt durch dezente elektrische Verstärkung. Dunkle Farben herrschten zuerst vor, Glissandi errichteten Klangtürme. Effektvolle Verzahnungen einzelner Klangelemente führten spannungsvoll zu Solo-Kadenzen, in denen von Choral bis Atonal die Möglichkeiten des Instrumentes ausgereizt wurden. Doch es dauerte zu lange, bis unter Glockengeläut und in Dur der röchelnde Leviatan in die ewigen Jagdgründe einging. Die Aufmerksamkeit im Publikum erlahmte, die Huster mehrten sich störend.

Bei Tschaikowskys Sinfonien gelingt vielen Dirigenten meist nur Lärmig-Sentimentales. Nicht so bei Gergiev mit der "Fünften". Zwei Sätze haben den Zusatz "Con anima" - mit Seele. Gemeint ist die russische, die emotionale, nicht die sentimentale. Pianissimi schienen aus dem Nichts zu kommen, aus mystischem Dunkel stieg das warme Hornsolo, Ritardandi wurden ausgelebt, Endungen ausgespielt. Nichts eilte oder hastete, Gergiev nahm sich alle Zeit, um die Klangschönheit, die Präzision und die Homogenität seines Orchesters auszubreiten. Die Majestät des Blechs, der Gesang der Streicher, die Perlen des Holzes: Tschaikowsky hoch emotional, schicksalhaft, mit innerer Tragik. Eine Interpretation, die tiefen Eindruck hinterließ. fa

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