"Das Schlimmste der Krise liegt hinter uns"Immer weniger Pendler kommen zum Arbeiten an die Saar3,6 Millionen Arbeitslose im Bund

Saarbrücken. Gerade einmal drei Wochen ist sie an der Saar. Doch die designierte neue Chefin der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heidun Schulz (47) wirkt in ihrer ersten Pressekonferenz schon sehr souverän

Saarbrücken. Gerade einmal drei Wochen ist sie an der Saar. Doch die designierte neue Chefin der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heidun Schulz (47) wirkt in ihrer ersten Pressekonferenz schon sehr souverän. Sie hält direkten Augenkontakt zu ihren Gesprächspartnern, kennt die Ansprechpartner ohne Namens-Kärtchen und zeigt bereits eine erstaunliche Detail-Kenntnis von Fakten.So müsse 2010 zwar noch mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Region gerechnet werden, prognostiziert Schulz, die zuvor Geschäftsführerin der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen war. Allerdings schüttelt sie den Kopf über die Prognose der Arbeitskammer, 2010 werde es über 50 000 Arbeitslose in der Region geben. "Das ist keine realistische Einschätzung. Was jetzt an Negativem im Saarland passieren müsste, damit eine solche Zahl eintrifft, ist unvorstellbar", so Schulz. Mit den im Januar 2010 an der Saar festgestellten 41 000 Arbeitslosen, einem Plus von 3400 gegenüber Dezember 2009, sei bereits einer der historischen Höchststände in der Region erreicht.Schulz gibt sich in ihrer Einschätzung der Lage insgesamt eher zuversichtlich: "Die großen Einbrüche durch die Wirtschafts- und Finanzkrise liegen hinter uns." Es sei bereits ein leichter Anstieg an offenen Stellen erkennbar (1400 Stellenangebote im Januar, das entspicht einer Zunahme um 150 oder 12,8 Prozent).Man könne aber noch nicht von einem generellen Wandel zum Positiven sprechen. Obwohl die Aufträge in vielen Unternehmen wieder zunehmen, insbesondere solchen, die vom Export leben. Gleichzeitig müsse aber in anderen Unternehmen geklärt werden, wie es nach der Kurzarbeit weitergeht. Gerade dort wachse "der Druck, die Produktivität zu verbessern, was im Ergebnis zum Verlust von Arbeitsplätzen führen kann. So realistisch sollten wir die Entwicklung schon sehen", betont Schulz.Die "deutliche Zunahme" der Saar-Arbeitslosigkeit von Dezember 2009 auf Januar 2010 (Quote: 8,1 Prozent gegenüber 7,5 Prozent im Dezember) sei vor allem auf Berufe mit Witterungs-Einflüssen zurückzuführen. Von Bauberufen (plus 300 Arbeitslose auf jetzt 3300), über land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten (plus 200 auf 1700) bis zu Verkehrsberufen (plus 300 auf 400). Hinzu kommen Kündigungen zum Quartalsende und auslaufende Zeitverträge, etwa bei Warenkaufleuten (plus 200 auf 4200) sowie in Verwaltungs- und Büroberufen (plus 400 auf 4400). Die Zahl arbeitsloser Männer stieg in den vergangenen vier Wochen um 2300 auf 23 100 (plus 11,1 Prozent), die der Frauen um 1100 auf 17 900 (plus 6,4 Prozent).Heidrun Schulz wird am 3. Februar offiziell als Nachfolgerin von Otto-Werner Schade in ihr Amt eingeführt. Dazu kommt aus Nürnberg Frank-Jürgen Weise angereist, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Schulz, selbst seit 18 Jahren bei der BA, schätzt die frankofile Lebensart der Saarländer, will schnell auf Entscheider zugehen. Erste Eindrücke sind erfreulich. "Mir kommt eine unglaubliche Offenheit entgegen." Die saarländische Art der Kommunikation hat sie auch schon ausgemacht: "Man kennt sich." Saarbrücken. Erstmals seit fünf Jahren geht die Zahl derjenigen stark zurück, die aus Rheinland-Pfalz oder Frankreich zur Arbeit an die Saar kommen. Besonders viele Männer jüngeren und mittleren Alters bis unter 45 finden an der Saar keine Beschäftigung mehr in Folge eines Stellenabbaus im verarbeitenden Gewerbe sowie in der Zeitarbeit. Es trifft sowohl Männer mit als auch ohne Berufsausbildung. Dies hat die Regionaldirektion anhand von Daten aus dem Juni 2009 ermittelt. Demnach liegt die Zahl der Einpendler bei 51 800 Arbeitnehmern, 1600 oder 2,9 Prozent weniger als noch 2008. Dennoch bleibe das Saarland mit 15 Prozent Einpendlern immer noch die Region mit der höchsten Einpendler-Quote im Vergleich zu allen anderen Bundesländern außer den Stadtstaaten. Kaum verändert hat sich mit 5000 die Zahl der Einpendler zu Fachhochschulen oder Hochschulen. Aus Rheinland-Pfalz kommen nach der Statistik immer noch rund 22 600 Einpendler. Ihre Zahl hat sich im Vergleich zu 2008 mit 500 oder zwei Prozent nur wenig verringert. Deutlich stärker fällt der Verlust französischer Arbeitskräfte aus mit jetzt noch 19 500 oder 800 weniger als 2008 (minus vier Prozent). Hauptgründe hierfür seien wachsende Sprachprobleme der Jüngeren und einer stärkeren Angleichung der Löhne. tsNürnberg. Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich auch zum Jahresauftakt weiter in einer robusten Verfassung. Zwar stieg die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen im Januar gegenüber Dezember um 342 000 auf 3,617 Millionen Menschen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) gestern in Nürnberg mitteilte. Aber "dieser starke Anstieg ist leider üblich im Januar", sagte der BA-Vorstandsvorsitzende Frank-Jürgen Weise. Gegenüber Januar 2009 waren 129 000 Menschen mehr ohne Arbeit. Die Quote erhöhte sich gegenüber Dezember um 0,8 Prozentpunkte auf 8,6 Prozent. Die Arbeitslosigkeit sei lediglich im jahreszeitlich üblichen Umfang gestiegen, so Weise weiter. Neben der höheren Arbeitslosigkeit in Saisonberufen spiele auch das allgemeine Nachlassen wirtschaftlicher Aktivität im Winter eine Rolle. Insbesondere zum Jahresende würden mehr Arbeitskräfte entlassen und weniger eingestellt. Insgesamt habe sich die Wirtschaftskrise bislang aber weniger stark als befürchtet auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt.Auch bei der Zahl der gemeldeten Stellen gebe es "einen leichten Aufwärtstrend", sagte Weise weiter. Er reduzierte die Erwartung der Arbeitslosenzahl im Jahresschnitt von bisher 4,1 Millionen auf 3,7 bis 3,8 Millionen. In einzelnen Monaten könne jedoch durchaus die Vier-Millionen-Marke überschritten werden. Die Zahl der Kurzarbeiter, die derzeit bei insgesamt rund einer Million liegt, werde im Jahresverlauf weiter zurückgehen, prognostizerte der Chef der Bundesagentur für Arbeit. Dies sei allerdings kein Grund, zu glauben, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt seien schon ausgestanden. ddp Meinung

Kein Grund zur Entwarnung

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia Es ist sehr erfreulich, dass die ersten saarländischen Unternehmen offensichtlich die Wirtschafts- und Finanzkrise hinter sich lassen können. Das sind vor allem Betriebe, die sich stark auf den Export konzentriert haben. In diesem Bereich füllen sich die Auftragsbücher wieder. Doch es gibt auch immer noch die andere Seite. Unternehmen, in denen demnächst die Kurzarbeit endet. Werden hier die Belegschaften gehalten oder wird verstärkt entlassen? Keiner weiß es. Niemand kann einschätzen, wie es für die Autoindustrie nach dem Ende der Abwrackprämie läuft. Und niemand kann verlässlich prognostizieren, ob sich die saarländische Stahlindustrie in den kommenden Monaten im weltweiten Wettbewerb erfolgreich behaupten kann. Es bleiben leider viele Unklarheiten.

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