Das letzte Geschrei

Offen gestanden, manchmal fällt es mir schwer Menschen zuzuhören. Nicht das, was sie sagen, löst dies aus, sondern, wie sie es sagen. Egal ob im Rundfunk, im Fernsehen und selbst auf der Bühne: Immer öfter wird man mit Leuten konfrontiert, die zwar irgendwas sagen, das aber selten wirklich verständlich

Offen gestanden, manchmal fällt es mir schwer Menschen zuzuhören. Nicht das, was sie sagen, löst dies aus, sondern, wie sie es sagen. Egal ob im Rundfunk, im Fernsehen und selbst auf der Bühne: Immer öfter wird man mit Leuten konfrontiert, die zwar irgendwas sagen, das aber selten wirklich verständlich. Wohl gemerkt, es geht nicht um Frau und Herrn Jedermann, die ihren heimischen Dialekt nicht leugnen können (oder wollen). Es geht um jene, die öffentlich reden, teilweise sogar gutes Geld damit verdienen. Eklatant etwa das Beispiel eines Moderators im ZDF-Morgenmagazin: Da zischt es fast in jedem Satz, als lasse einer die Luft aus einem Fahrradreifen. Manchmal kann man nur ahnen, was der Mann einem sagen will. Als Journalist mag er ohne Tadel sein, doch was nützt das im TV, wenn man ihn kaum versteht? Das Wissen, dass die korrekte Aussprache auch viel Mühe, viel Übung kostet, so wie man auch seine Gesangsstimme beständig trainieren muss, scheint heute ohne größere Bedeutung. Denn wer sich durch die diversen Radio- und Fernsehkanäle arbeitet, wird feststellen, der zischelnde Frühmoderator ist nicht allein. Überall zischt und pfeift es, wird genuschelt oder krakelt. Wer einfach so loslabert, ohne sich um eine halbwegs saubere Aussprache zu mühen, ist im Trend. Nein, das ist kein Problem von irgendwelchen Jugendsendern oder des Privatfernsehen. Die gute, die volltönende Radiostimme, die auch Markenzeichen eines Rundfunkmoderators war, die einem wohl im Ohr klang, sie zählt auch öffentlich-rechtlich nicht mehr viel. Und auch im Theater ist das oft nicht besser. Wo früher überartikuliert wurde, wird heute vieles vernuschelt oder verschrien, wird gekeuscht, wird gehechelt. Ein Gustav Gründgens, der jeden Laut in Stein meißelte, gilt vielen heute bloß noch als Kuriosum. Natürlich war diese Art, diese Sprechkunst nicht - Bühnenfiguren bekamen so etwas Künstliches, Überhöhtes. Doch ist das Pendel mittlerweile vollends in die andere Richtung ausgeschlagen. Regisseure lassen mit Vorliebe auf der Bühne schreien, treiben Figuren und damit ihre Schauspieler stimmlich ins Äußerste. Auch dann, wenn es eigentlich nicht passt, der Charakter der Figur anderes verlangt. Der Versuch Bühnenfiguren lebenswahrer wirken zu lassen, weil Menschen eben auch mal die Stimme versagt, sie ihre Wut herausschreien müssen, ist beim öffentlichen Sprechen an fragwürdige Grenzen gestoßen. Dabei ist das Bemühen darum, dass Zuhörer einen auch verstehen können, dass sie einem gerne zuhören wollen, auch ein Akt echter Höflichkeit. Wobei es wohl kein Zufall ist, dass man sich bei der Aussprache mit dem Beiwort korrekt behelfen muss. Dessen Rechtschreibung steht zwar im Duden. Dabei täte auch hier Rechtsprechung Not.

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