Das Leben als Ex-Wunderkind

Saarbrücken. "Wie kann ich das bloß übertreffen?", fragt sich Orson Welles im Film "Ich und Orson Welles". Das klingt gleichzeitig selbstzufrieden und ängstlich - letzteres kein Wunder, steckt in dieser schlichten Frage doch die Lebenstragik dieses Universalkünstlers

 Qualmendes Genie: David McKay als Titelfigur von "Ich und Orson Welles". Foto: Farbfilm

Qualmendes Genie: David McKay als Titelfigur von "Ich und Orson Welles". Foto: Farbfilm

Saarbrücken. "Wie kann ich das bloß übertreffen?", fragt sich Orson Welles im Film "Ich und Orson Welles". Das klingt gleichzeitig selbstzufrieden und ängstlich - letzteres kein Wunder, steckt in dieser schlichten Frage doch die Lebenstragik dieses Universalkünstlers. In Richard Linklaters sehenswertem Film probt Welles seine radikal moderne Inszenierung von Shakespeares "Julius Cäsar" von 1937; seine Frage, wie er das übertreffen kann, stellt sich 1941 noch drängender. Da schubst er mit dem Film "Citizen Kane" die kollektive Filmsprache ein großes Stück in die Moderne - er erzählt nicht chronologisch, spielt mit Kameraeinstellungen, ungewohnten Perspektiven und Klangeffekten. Die Kritik ist beeindruckt, bis heute taucht der Film auf den stets etwas albernen "Die besten Filme aller Zeiten"-Listen auf; doch das große Publkum bleibt fern. Welles, das Wunderkind, das mit seiner Hörspielfassung von "Der Krieg der Welten" 1938 ganz Amerika verschreckt hat - möglicherweise seine Eintrittskarte für Hollywood - , wird nie wieder in diesem Maße gleichzeitig Produktionsmittel und künstlerische Freiheit genießen. Der folgende Film "Der Glanz des Hauses Amberson" wird vom Produzenten derart verstümmelt, dass die Familienchronik nur noch als Torso (und kommerzieller Misserfolg) durchs Kino geistert. Fortan kämpft Welles als Regisseur gegen unverständige Studios, zögernde Finanziers und wird zwangsweise zum unabhängigen Filmemacher: Als Schauspieler unter anderen Regisseuren verdient er sich das Geld für Eigenes - manchmal mit grandiosen Werken wie "Der dritte Mann" (1949) und "Catch 22" (1970), oft mit Durchschnittsware, auch als Werbesprecher für Wein und Bier. Doch die eigenen Regiearbeiten werdens selten fertig - mal wegen eines während der Dreharbeiten sterbenden Hauptdarstellers (Laurence Harvey in "The Deep"), mal wegen rechtlicher Probleme und wegen belichtetem Filmmaterials, das verschwindet. Immerhin: Aus einer schlichten (und seltenen) Auftragsarbeit macht er 1958 den Film-Noir-Klassiker "Im Zeichen des Bösen", vier Jahre später gelingt ihm die fantastische Kafka-Adaption "Der Prozess". Als Welles 1985 stirbt, hinterlässt er ein Lebenswerk, das oft als frustrierend fragmentarisch empfunden wird, als Versprechen, das nie eingelöst wurde. Er selbst befeuerte dies zu Lebzeiten mit Sätzen wie "Ich habe ganz oben angefangen und mich dann herunter gearbeitet." Er polierte auch gerne den Mythos des Genies, dessen Scheitern an Hollywood im Grunde ein moralischer Sieg ist - ein Klischee und autobiografische Schwarzweißmalerei, stand Welles seiner Karriere doch nicht selten auch durch ein geblähtes Ego im Weg. Andererseits: Wie frustrierend (obwohl gut bezahlt) muss es gewesen sein, einen Roboter im 1986er Trickfilm-Schrott "Transformers: The Movie" zu sprechen? Welles bleibt ein rätselhafter Künstler, der jüngeren Kinogängern, die Quentin Tarantino tatsächlich für ein Genie halten, kein Begriff ist. Gut, dass "Ich und Orson Welles" an ihn erinnert. "Ich und Orson Welles" ab morgen im Saarbrücker Filmhaus. Kritik im treff.region.

 Der reale Welles in Cannes 1972, 57 Jahre alt. Foto: SZ

Der reale Welles in Cannes 1972, 57 Jahre alt. Foto: SZ

Auf einen BlickNeu in einigen Kinos der Region läuft auch der Fantasy-Film "Duell der Magier" mit Nicolas Cage - actionbeladen, aber wenig überzeugend. Auch "Verrückt nach Dir" mit Drew Barrymore ist mäßig: In der romantischen Komödie kämpft ein Paar um seine Liebe. Schöner anzusehen ist da "London Nights" (Camera Zwo, Sb), eine hervorragende Tragikomödie über die Suche nach der großen Liebe. Auch das Drama "14 km - auf der Suche nach dem Glück" (Filmhaus, Sb) überzeugt. Anrührend stellt der Film die Leiden dreier afrikanischer Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa dar. Außerdem läuft in einigen Kinos die solide Komödie "Männertrip" an - über einen Rockmusiker auf Weg zum Comeback. red

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