Das Konkrete und das Erzählende

Berlin/Saarbrücken. Als er sich vor ein paar Jahren in Berlin auf Spurensuche begab - jener Stadt, die er so oft wie keine andere besucht hat - , stand Till Neu auch vor dem von der Schließung bedrohten alternativen Kunstzentrum Tacheles

Berlin/Saarbrücken. Als er sich vor ein paar Jahren in Berlin auf Spurensuche begab - jener Stadt, die er so oft wie keine andere besucht hat - , stand Till Neu auch vor dem von der Schließung bedrohten alternativen Kunstzentrum Tacheles. Auf dessen Fassade machte er ein schwarzes Quadrat aus, das ihn an das berühmteste der Kunstgeschichte erinnerte: an das 1915 von Kasimir Malewitsch auf weißem Grund gemalte "Schwarze Quadrat", mit dem seinerzeit die abbildhafte Malerei gewissermaßen an einem Endpunkt ankam. Neus Gemälde "Tacheles, Malewitsch und die letzte futuristische Ausstellung", als eines von über 50 Gemälden des in Saarbrücken lebenden Künstlers derzeit in der Saarländischen Galerie im Berliner Palais am Festungsgraben zu sehen, ist typisch für seine jüngeren Arbeiten. In ihnen paart Till Neu (67, von 1984 bis 2004 Professor am Frankfurter Institut für Kunstpädagogik) innere und äußere Bilder, Vorgefundenes, Gedachtes und Erspürtes. Vieles erschließt sich erst auf den dritten, ausgedehnten Blick.

Etwa 40 Interessenspunkte, erzählt er, machte er seinerzeit in Berlin und Potsdam aus, die die topographische Klammer seiner Ausstellung "bilder orte" bilden - beiläufige, aber auch historische Orte, die er fotografierte, skizzierte, von denen er alte Ansichten suchte und sammelte. Danach transponierte er das Vorgefundene während eines Jahres in Malerei. Es führte ihn in erstaunlich unterschiedliche Richtungen. Und so zeigen die Berliner Bilder aus 15 Monaten denn auch ein enormes malerisches Spektrum. Wie in Neus bisherigem Schaffen spielen zwar auch in diesen zwischen Frühjahr 2009 und Sommer 2010 entstandenen Arbeiten Farbfelder und abstrahierende Formgebungen eine maßgebliche Rolle. Und doch lässt sich darin eine Wende ablesen - weil sich das Gegenstandslose nun nachhaltiger mit dem Gegenständlichen vermählt und das Kontemplative einer konkreten Kunst mehr und mehr von einer eher erzählenden Malerei als zweiter Stimme begleitet wird.

Zwei Deutungsvarianten des KGB-Gefängnisses in Berlin-Weißensee finden sich neben einer Reichstagansicht von 1945 auf erdgrauem Untergrund; abstrahierende, noch Neus alte Formstrenge ausstrahlende Farbanklänge an den Berliner Architekten Bruno Taut hängen neben bewegteren, imaginierten Landschaften ("Großer Exerzierplatz der Mauern" oder "Botanischer Garten"). Bilder sind dies, in denen sich die Perspektiven ineinanderschieben und die Details Ruhezonen schaffen, in denen man gerne einkehrt.

Bis 19. Dezember in der Saarländischen Galerie im Berliner Palais am Festungsgraben. Di bis So 15 bis 19 Uhr.

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