„Das ist frustrierend“

Die Neufassung des Saarländischen Denkmalschutzgesetzes ist überfällig. Nicht nur aus diesem Grund hält der Vorsitzende des Landesdenkmalrates, der Architekt Henning Freese, den Denkmalschutz für schwach. Freeses Amtszeit endet am 30. Juni. Trotz aller Kritik an den Möglichkeiten des Denkmalschutzes will er weitermachen. Mit Freese und seinem Stellvertreter Gordon Haan, der für die Handwerkskammer in das Gremium entsandt ist, sprach SZ-Redakteurin Ilka Desgranges.

 Das Ex-Kulturministerium: Wäre es ein Barock-Gebäude, würde niemand die Abriss-Frage stellen, sagt Henning Freese. Foto: Bilderwerk

Das Ex-Kulturministerium: Wäre es ein Barock-Gebäude, würde niemand die Abriss-Frage stellen, sagt Henning Freese. Foto: Bilderwerk

Foto: Bilderwerk

Herr Freese, in Ihrem Bericht zur Situation der Denkmalpflege im Saarland schreiben Sie, der Denkmalschutz verkomme zum zahnlosen Papiertiger. Was sind die Gründe?

Freese: Wir erfahren als Landesdenkmalrat zum Beispiel nicht, welches Denkmal wann verloren geht. Abrissanträge werden uns zwar vorgelegt, wenn wir uns dagegen wehren, hat das aber überhaupt keine Konsequenzen. Das Dilemma ist, dass es keine wirklich aktive Diskussion gibt.

Wen würden Sie sich denn als Diskussionspartner wünschen?

Freese: Ich will es mal am Beispiel Leibniz-Gymnasium St. Ingbert festmachen. Wir haben erfahren, dass es einen Antrag gibt, die Turnhalle abzureißen, den ganz wichtigen Kopfbau. Wir haben uns damals darum bemüht, das in die Öffentlichkeit zu bringen. Es gab eine Diskussion und es gab einen Kompromiss, den Kopfbau zu erhalten. Es gab überhaupt keine Nachricht vom Landesdenkmalamt an den Landesdenkmalrat über die weitere Entwicklung. Ich bin rausgefahren und habe mir die Baustelle angesehen. In der anschließenden Sitzung wurden uns Pläne gezeigt. Erschütternd! Erschütternd! Das ist noch nicht einmal erstes Semester Architekturstudium. Damals habe ich gesagt: Wenn ihr einen solchen Fall habt, dann bringt ihn doch in den Landesdenkmalrat.

Ist es nicht so, dass die Öffentlichkeit immer weniger Interesse an Denkmalschutz hat und ihn als etwas versteht, was Mühe macht und Geld kostet?

Freese: Ja, das kann man so sagen. Wir haben eine Bewegung weg vom Denkmal.

Haan: Es sind ja immer mehr Bauten aus den 50er und 60er Jahren, die zur Diskussion stehen. Wenn das einstige Kultusministerium ein Barockgebäude wäre, hätte nie jemand die Frage nach Abriss gestellt. Mit der Akzeptanz von neueren Gebäuden in der Öffentlichkeit ist es sehr schwierig. Durch die Diskussion um das Pingusson-Gebäude ist das jetzt etwas ins Laufen gekommen. Es gibt nicht die unbedingte Akzeptanz, man muss viel dafür tun.

In Ihrem Bericht steht, es habe sich in fünf Jahren nur Weniges verändert.

Freese: Die Frage ist, wie können wir das Vehikel Landesdenkmalrat wieder flottmachen? Es gibt ja auch die Klage vom Landesdenkmalamt, dass die Rechtsprechung im Saarland - im Gegensatz zu anderen Bundesländern - gegen das Denkmal orientiert ist.

Die rechtliche Grundlage müsste also verändert werden, um dem Denkmalschutz mehr Möglichkeiten zu geben?

Freese: Ja. Wir haben ein Gesetz, in dem steht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse es nicht zulassen, kann der Eigentümer ein Denkmal abreißen. Da fehlt jeglicher kulturelle Hintergrund, da fehlt jegliche Abwägungsnotwendigkeit. Es ist alles auf ein kurzfristiges wirtschaftliches Ergebnis hin konzipiert. Wenn es morgen einen Abrissantrag gäbe für die Ludwigskirche, kann der Eigentümer sofort nachweisen, dass er das Gebäude aus wirtschaftlichen Gründen nicht halten kann. Es gäbe dann keine Möglichkeit, den Abrissantrag abschlägig zu bescheiden.

Ihre zentrale Forderung ist also die nach einer besseren rechtlichen Grundlage?

Freese: Wenn wir es rechtlich nicht regeln können, müssen wir eine Plattform finden, mit der wir die Diskussion über Denkmäler wieder in Gang setzen können. Wir können als Landesdenkmalrat permanent schreien, schreiben und machen und tun, aber es muss ja vorher eine Auseinandersetzung geben.

Wie könnte eine solche Plattform denn aussehen?

Freese: Es gibt zwei Wege. Der eine wäre, dass man wieder eine fachliche Ebene findet, wo zwei Gremien , wie früher Oberste und Untere Bauaufsicht, ihre Interessen vertreten. Aber dieses ist von politischer Seite nicht gewünscht. Dann gibt es den zweiten Weg, dass der Landesdenkmalrat anders organisiert werden muss. Dann ist es nicht mehr so wichtig, dass es einen gesellschaftlichen Querschnitt gibt. Dann müsste man überlegen, wie man ihn fachlich besetzt, damit er diskussionsfähig ist.

Der Landesdenkmalrat soll aus Ihrer Sicht also stärker mit Fachleuten besetzt werden?

Freese: Andersrum. Man muss erst einmal überlegen, wie könnte er funktionieren. Im Augenblick sind es 17 Leute. Die kommen aus Trier, aus Speyer, von überall her. Bis ich das Gremium zusammen habe, damit es entscheidungsfähig ist, habe ich einen erheblichen Aufwand im Vorlauf. Wenn uns Abrissanträge vorlagen, dann sind wir mit dem Vorstand schon mal zu den Objekten gefahren, haben etwas dazu geschrieben - und das dann abgeheftet, weil diese Stellungnahmen nicht sanktionsfähig sind. Das ist frustrierend. Wir machen das ehrenamtlich. Und ich muss ehrlich sagen, es gab durchaus Momente, wo ich dachte: Warum soll ich das noch machen, wenn die ganze Arbeit so verpufft?

Was müsste sich ändern?

Freese: Das Votum des Landesdenkmalrates müsste eine Wirkung haben. Das wäre eine Art Professionalisierung des Rates, ohne dass er zu einem weiteren Amt wird.

Sie wollen den Landesdenkmalrat also ehrenamtlich belassen, mit mehr Fachleuten besetzen, und Sie wollen, dass er mehr Einfluss bekommt?

Freese: Vor allem müssen seine Beschlüsse bindenden Charakter erhalten.

Haan: Ich finde die Zusammensetzung so, wie sie ist, nicht schlecht. Man muss schon Vertreter der Bistümer Trier oder Speyer im Landesdenkmalrat mit drin haben, um dort eine gewisse Akzeptanz zu bekommen. Von der Grundausrichtung finde ich es ok, dass der Rat den Querschnitt der Bevölkerung vertreten sollte.

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