Das Figurenstück „Silence“: Was bleibt am Ende?

Saarbrücken · Die belgische Puppentheater-Compagnie „Night Shop Théâtre“ hat das Stück „Silence“ im Theater Überzwerg gespielt. Um Alter geht es, um Abschied und Tod.

Alt werden ist gar nicht so schlecht, sagte Sänger Maurice Chevalier einmal - "wenn man die Alternative bedenkt". So gesehen haben es Jean und Elise gut getroffen. Sie haben über 60 gemeinsame Jahre hinter sich, einen gemeinsamen Platz im Pflegeheim, und die Liebe von einst ist noch da, auch wenn sie heute eher freundschaftlich daherkommt denn leidenschaftlich lodert - man küsst sich eher auf die Stirn denn auf den Mund. Doch während Jean zwar seine Haare verloren, aber seine fünf Sinne noch beisammen hat, schwinden sie bei Elise - die gemeinsame Zeit geht dem Ende zu.

"Silence" ist ein Stück über Alter und Abschied. Die Puppentheater-Compagnie "Night Shop Théâtre" aus Belgien hat es am Dienstag und gestern im Theater Überzwerg gespielt - ein knapp einstündiges Stück mit zwei famosen Darstellerinnen: Isabelle Darras und Madeleine Guévart spielen erst zwei Pflegerinnen, die die Menschen des Heims betreuen - dargestellt als kleine Pappkameraden, mit Fotos realer alter Menschen beklebt. Jeder bekommt seine Tasse mit Gebäck, abgezählt und eingeschweißt; abends beflackert (oder hypnotisiert?) ein Fernseher die Senioren mit bläulichem Licht. Eine geisterhafte Szenerie.

Jean und Elise kommen nicht als Figuren von Pappe auf die Bühne, sondern in Lebensgröße: Darras und Guévart schnallen sich die beiden Kunststoff-Puppen vor den Bauch, eine Hand hält die Figur am Hinterkopf, der zweite Arm der Spielerin wird zum rechten Arm der Figur und macht klassische Gesten: das regelmäßige Zurechtrücken der Brille bei Jean, das zögerliche Nesteln im weißen Haar bei Elise. Die Wirkung ist verblüffend - nach Sekunden scheinen die Figuren mit ihren täuschend echten Gesichtern ihr Eigenleben zu führen, die Gestik der Puppenspieler, die hinter ihren Figuren verblassen, verschmilzt mit ihren Objekten, zurück bleiben zwei Figuren auf der Bühne, scheinbar aus Fleisch und Blut.

Sie durchleben einen Alltag, der durchgetaktet ist nach Mahlzeiten und durchzogen von Melancholie. Elise blättert in einem Fotoalbum jüngerer Tage, Projektionen an der Bühnenwand zeigen Szenen von einst, als Jean noch im Schwimmbad herumjuxte. Jetzt juxt er nicht mehr, denn Elise baut ab, gießt den Tee auf eine Tasse die noch umgedreht ist - und eines Tages ist sie fort, das Stück spart ihren Tod aus. Jean bleibt zurück. Was aber bleibt von Elise? Ihr persönliches Waffelrezept, das Jean nun mit einer Pflegerin nachbackt. Dieser Akt des Backens ist durchaus komisch inszeniert, es wird spürbar, wie das Stück seine Thematik versüßen will - da hat die Sahne, die Jean großzügig auf die Waffeln sprüht, durchaus Symbolgehalt. Das ist legitim, und das Publikum beklatscht dankbar eine frische Waffel und eine brennende Wunderkerze. Aber das Stück, so anrührend es auch ist, scheint sich selbst zu bremsen, um einem nicht zu nahe zu kommen.

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