"Das Fernsehen sucht Waschlappen"

Plagt Sie manchmal ein Albtraum, in dem das TV-Programm über Nacht gut wird - und Sie sind deshalb arbeitslos?Kalkofe: Das ist kein Albtraum, sondern eine Wunschvorstellung. Mir würde dann fürs Programm schon etwas anderes einfallen

Plagt Sie manchmal ein Albtraum, in dem das TV-Programm über Nacht gut wird - und Sie sind deshalb arbeitslos?

Kalkofe: Das ist kein Albtraum, sondern eine Wunschvorstellung. Mir würde dann fürs Programm schon etwas anderes einfallen. Mein Albtraum ist eher der, dass ich aufwache und Jurymitglied bin bei "Germany's next Top Model" oder dass ich zugesagt habe, mich beim Promi-Schiffeversenken ins Schlauchboot zu setzen.

Warum läuft Ihre manchmal brachiale Satiresendung "Mattscheibe" zurzeit nicht? Sie wird dringend gebraucht.

Kalkofe: Pro Sieben hat momentan weder Geld noch Sendeplatz. Wenn man einen neuen Pimperpartner für Julia Siegel oder das größte Schnitzel der Welt sucht, ist das natürlich wichtiger - dafür habe ich Verständnis.

Auf wen ist Ihr Zorn wegen der mangelnden Qualität größer? Auf die privaten Sender oder auf die öffentlich-rechtlichen?

Kalkofe: Mein Zorn ist gerecht verteilt. Die Privatsender haben sich finanziell und kreativ in den Ruin geritten - immer in der Hoffnung, man könne es allen Recht machen und damit viel Geld verdienen. Das hat nicht funktioniert. Bei den Öffentlich-Rechtlichen macht es mich traurig, dass sie eigentlich dank ihrer Gebühren unabhängig sind, sich aber faul und feige auf ihrer Vergangenheit ausruhen. Sie wagen nichts Neues und hoffen, dass keiner merkt, dass sie überhaupt noch existieren. Dabei wäre es genau ihre Aufgabe, zu überraschen und auch mal zu polarisieren.

Hätten Sie gedacht, dass man Johannes B. Kerner mal vermisst, weil sein ZDF-Nachfolger Markus Lanz noch glatter ist?

Kalkofe: Nein - das ist auch eine Leistung. Wenn ich nach den schlimmsten TV-Sendungen und Personen gefragt werde, kann ich nur antworten, dass es keine Sendungen oder Persönlichkeiten mehr gibt. Wie in der Politik. Früher hatten wir noch Typen wie den Strauß, den Wehner - heute ist alles konturenlos. Das Fernsehen sucht das unangenehm Lauwarme, Luschige, den Waschlappen.

Sollten bei windigen Tarot- und Telefon-Sendungen in Spartenkanälen die Landesmedienanstalten öfter eingreifen?

Kalkofe: Deren Befugnisse scheinen gering zu sein. Immerhin gibt es jetzt nach Jahren der Telefon-Beschiss-Spielchen kleinere Einschränkungen. Aber trotzdem tut sich nix. Gibt es Geldstrafen, zahlt der Sender schnell - und weiter geht's.

Seit 1995 schreiben Sie eine ziemlich bissige Kolumne in der Zeitschrift "TV-Spielfilm" - nutzt sie denn irgendwas?

Kalkofe: Ich glaube schon lange nicht mehr, dass das irgend etwas bewegt. Ich fühle mich wie ein Arzt, der heute jemanden heilt, aber dessen Sprechzimmer morgen wieder überfüllt ist. Aber man muss ja weitermachen, bis zuletzt.

Sie haben zwei nostalgische Edgar-Wallace-Parodien gedreht und gerade an einer DVD-Box von "Mit Schirm, Charme und Melone"-DVD mitgewirkt - war früher alles besser?

Kalkofe: Überhaupt nicht. Vieles von früher haben wir uns inzwischen schöngesoffen. Es gab weniger, und wir waren dankbarer. "Dalli Dalli" und "Der große Preis" waren ja auch nicht die Neuerfindung des Mediums, aber es gab halt nichs anderes, und man war glücklich über jeden Hauch von Unterhaltung. Es gab aber auch wirkliche Highlights wie "Mit Schirm, Charme und Melone", was meine Kindheit geprägt hat. Und heute an einer solchen DVD mitzuarbeiten, ist für mich eine große Freude und wesentlich besser, als in irgendeiner Jury zu sitzen oder in der Show von Kai Pflaume zu tanzen, auch wenn ich dann wieder im Fernsehen wäre. Angebote dafür habe ich, so schlimm das ist, aber da schaue ich lieber nach anderen Projekten.

Etwa die Synchronarbeit als Autor und Sprecher der französischen Agenten-Parodie "OSS 117"? Sie bleiben überraschend nah an der Original-Fassung.

Kalkofe: Der Film ist ja keine Klamotte, und seinen oft feinen Witz wollte ich nicht mit Kalauern erschlagen.

War da keine Versuchung, eine flotte Schnodder-Synchro anzufertigen - wie einst Rainer Brandt, der so die Serie "Die Zwei" bei uns erfolgreich machte?

Kalkofe: Nein. Brandt hat das bei "Die Zwei" hervorragend gemacht - das hat aber deshalb so gut funktioniert, weil die Vorlage, der man einen neuen Witz verliehen hat, eher ernst war. Will man bei ohnehin komischen Filmen, etwa bei den "Rittern der Kokosnuss", eine zweite Humor-Ebene errichten, weil man glaubt, lustiger sein zu können als das Original, dann wird das schnell zu viel. Das darf man einfach nicht.

Zur Person

Oliver Kalkofe, am 12. September 1965 in Hannover geboren, hat in Münster Publizistik, Anglistik und Germanistik studiert. Danach arbeitete er als Radiomoderator beim Sender ffn. Bundesweit bekannt machte ihn seine TV-Satire "Kalkofes Mattscheibe", in der er - erst auf Premiere, dann bei Pro Sieben - TV-Auswüchse kommentiert. Dafür erhielt er 1996 den Adolf-Grimme-Preis. 2004 und 2007 bringt er als Autor und Darsteller die Edgar-Wallace-Parodien "Der Wixxer" und "Neues vom Wixxer" ins Kino. Einen dritten Teil will er 2010 drehen. Mit seiner satirischen Bühnen-Show kommt er am 3. 11. ins Mannheimer Capitol. Infos: www.kalkofe.de tok

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