Das Brusthaar unterm Smoking

Saarbrücken. Eine Herrentoilette, Tokio 1966: Ein Schauspieler schleicht sich in den Raum, Dutzende Reporter jagen ihm hinterher, Blitzlichter zucken

 Edler Zwirn und ein Aston Martin zum Durchbrausen der Schweizer Berge. Connerys Bond-Filme (hier: "Goldfinger", 1963) sind auch immer eine Ode an den Luxus. Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Edler Zwirn und ein Aston Martin zum Durchbrausen der Schweizer Berge. Connerys Bond-Filme (hier: "Goldfinger", 1963) sind auch immer eine Ode an den Luxus. Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Saarbrücken. Eine Herrentoilette, Tokio 1966: Ein Schauspieler schleicht sich in den Raum, Dutzende Reporter jagen ihm hinterher, Blitzlichter zucken. Spätestens da wird Sean Connerys Verlangen, die Figur und den Bekanntheitsgrad des James Bond hinter sich zu lassen, übermächtig geworden sein - auch wenn die 007-Rolle aus dem schottischen Ex-Milchmann, Ex-Sargpolierer, Ex-Matrosen und Ex-Mister-Universum-Teilnehmer einen reichen Mann gemacht hat.Bond und Connery, das war in den 60ern eine unschlagbare Kombination, ein britischer Kultur-Exportschlager wie die Beatles, ein weltweites Phänomen, ohne das die Swinging Sixties anders ausgesehen hätten. Bond appellierte an die elemantarsten (und niederen) Triebe, gab uns aber die Illusion, es seien nicht die niederen: Sex, Töten, schnelle Autos, gutes Essen, edler Zwirn.Connery brachte eine kernige Männlichkeit in diese Filme: Brusthaariges Machotum paarte er mit äußerer Smoking-Eleganz und einer unterschwelligen Grausamkeit, wenn auch ironisch abgefedert. Man denke an das lässige "Shocking", das Bond entfährt, nachdem er in "Goldfinger" (1963) einen Gegner mit Strom in der Badewanne hingerichtet hatte. Privat tat Connery 1965 im "Playboy" kund, dass das Ohrfeigen einer Frau grundsätzlich nichts Schlechtes sein müsse, falls die rhetorischen Argumente ausgeschöpft seien - ein Interview, das Connery bis heute verfolgt, zumal er seine These nie dementiert hat.Nach seinem fünften Bond namens "Man lebt nur zweimal" (1967), bei dem Connery im Action-Exotik-Erotik-Gemisch leicht gelangweilt wirkte, hing er Bonds Walther-PPK-Pistole zum ersten Mal an den Nagel und wollte nie, wirklich nie, wiederkehren. Er tat es aber - 1971 und 1983; der Grund war jeweils derselbe, der heute gerne vergessen wird: Abseits der Bond-Rollen war Connery lange Zeit ein Mann von gestern, ein Ex-Mythos, Kassengift gar, trotz einiger seiner besten Rollen, bei denen er gerne auf das von ihm ungeliebte Bond-Toupet verzichten konnte. Er spielte einen Berberfürsten in "Der Wind und der Löwe" (1975), einen in die Jahre gekommenen Robin Hood in "Robin und Marian" (1976) und einen Meisterdieb in "Der große Eisenbahnraub" (1978). Das große Publikum wollte Connery bei diesen Rollen-Exkursen nicht folgen, seine Karriere schien lange nicht aus dem Schatten Bonds heraustreten zu können. Bis er die Rolle 1983 in "Sag niemals nie" symbolisch zu Grabe trug: mit einer leise ironischen Darstellung, in der der Zynismus der 007-Vergangenheit einer versöhnlichen Altersmilde gewichen war. Da wirkte sein detektivischer Mönch in "Der Name Rose" (1986) weniger wie ein Gegenentwurf denn wie ein Bruder im Geiste - wenn auch ungleich asketischer als der zwanghafte Genussmensch 007.Das Stigma des Ex-Bond ließ Connery spätestens 1987 hinter sich, als er einen Oscar für den Mafiafilm "Die Unbestechlichen" erhielt - dort spielte er die Rolle, die er fortan perfektionierte: eine abgeklärte, durch und durch integre Vaterfigur, die viel gesehen hat und dem Leben mit einer spöttischen Distanz begegnet. Ob als Vater eines Abenteurers in "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" (1989) oder als väterlicher U-Boot-Kommandant in "Jagd auf Roter Oktober" (1990). Durch meist geschickte Rollenwahl erwies sich Connery als einer der langlebigsten Stars der Kinogeschichte. Fehlschläge wie die missglückte Neuverfilmung von "Mit Schirm, Charme und Melone" (1998) setzten ihm wenig zu, Connery gab als graue Kino-Eminenz sogar schlichtem Actionkommerz wie "The Rock" (1996) Seele und Stil.Dass er seine Darstellerkarriere mit der langweiligen Superheldensaga "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" vor sieben Jahren beendet hat, unter Streitigkeiten mit dem Regisseur in Atombomben-Lautstärke, passt zu Connery, dem oft Widerspenstigen und Misstrauischen (meist zurecht): So ziemlich jedes große Hollywoodstudio hat er wegen kreativer Buchführung verklagt und dabei gewonnen - allerdings wird zurzeit gegen ihn wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Spanien ermittelt. Noch mehr am Herzen als korrekte Studio-Bilanzen liegt ihm (und schmückt als Tätowierung den Oberarm) die schottische Heimat. Mit seiner damaligen Rekordgage für den Bond-Film "Diamantenfieber" (1971) gründetet er in Edinburgh eine Stiftung für sozial schwache Künstler; später trat er immer wieder für die schottische Unabhängigkeit ein, was ihn nicht daran hinderte, sich 2000 von der Queen zum Ritter schlagen zu lassen.Da das Wetter auf den Bahamas stabiler ist als in Schottland, residiert Connery mit seiner Gattin (seit 1975) nun auf den Bahamas und widmet sich dem von ihm geliebten Golfspiel. Sein Desinteresse an Hollywood kleidet er in einen typisch ruppigen Connery-Spruch: "Ich sage nicht, dass alle Idioten sind. Ich sage nur, dass es viele davon gibt." Man muss ihn in der Tat vermissen.Buchtipps: "Sean Connery - Eine Hommage in Fotografien" ist ein lohnender Bildband (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 160 S., 19,90 €). Connery selbst hat, kaum überraschend, eine Mischung aus (wenig) Autobiografischem und (viel) schottischer Historie geschrieben: "Mein Schottland, mein Leben", Ullstein, 495 Seiten, 24,90 €.

 Connery 1986 in der Umberto-Eco-Verfilmung "Der Name der Rose". Foto: SZ

Connery 1986 in der Umberto-Eco-Verfilmung "Der Name der Rose". Foto: SZ

 Connery heute: Vor die Filmkamera will er nicht mehr, er spielt lieber Golf. Foto: dpa

Connery heute: Vor die Filmkamera will er nicht mehr, er spielt lieber Golf. Foto: dpa

HintergrundDie ARD zeigt in der Nacht auf Freitag einen der ungewöhnlichsten und finstersten Filme mit dem Schotten: "Sein Leben in meiner Gewalt" (1972) mit Connery als gewalttätiger Polizist. In der Nacht auf Sonntag läuft in der ARD ab 1.40 Uhr der starbestückte Kriegsfilm "Die Brücke von Arnheim" (1977). Im Anschluss (ab 3.45 Uhr) läuft mit Connery der blasse Geiselnahme-Thriller "Die Zeit läuft ab" von 1974. tok

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