Damit es Labormäusen gut geht

Saarbrücken · Sie wollte nicht im Tierheim arbeiten. Julia Schakat zog es ins Versuchslabor der Universität, um eine Ausbildung zur Tierpflegerin zu machen. Wer sich dafür entscheidet, braucht Charakterstärke, sagt ihr Ausbilder, Professor Jörn Walter.

 Mäuserich Horsti hat es der Auszubildenden Julia Schakat besonders angetan. Foto: Oliver Dietze

Mäuserich Horsti hat es der Auszubildenden Julia Schakat besonders angetan. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

In einem Keller der Universität des Saarlandes lebt Horsti. Er ist sechs Monate alt, hat dunkelgraues Fell und ist ein "BL6". Das steht zumindest vorne auf dem Klebezettel an seiner Wohnung. Horsti hat sogar eine Haushälterin. Sie hält das kleine Plastik-Loft sauber und versorgt ihn mit Wasser und Futter. Julia Schakat heißt sie und macht eine Ausbildung zur Tierpflegerin - hier in der Genetik der Saar-Uni.

Manchen von Horstis Nachbarn - insgesamt wohnen hier 1500 Mäuse und derzeit vier Ratten - gibt Julia Schakat am Abend Spritzen mit Hormonen. Das ist Teil eines Experiments. Untersucht wird dabei, wie sich die Hormone auf die Entwicklung der Mäuse auswirken. Die Laboranten testen an den Nagern auch, wie sich Verhaltensweisen weitervererben, der Lebensstil sich auf Gene auswirkt und komplexe Erkrankungen wie Krebs entstehen. Die Labor-Mäuse werden für Versuche der Zoologie, Pharmazie und Genetik verwendet. Manche von ihnen leben kaum länger als ein paar Monate.

Doch Horsti ist ein Glückspilz. Möglicherweise wird er leben, bis der natürliche Tod ihn ereilt. Denn Horsti ist eine Zuchtmaus - vorgesehen, um Nachkommen zu zeugen. Gelegentlich bekommt er Frauenbesuch. Zeitweise auch mehrere Weibchen gleichzeitig. Und manche bleiben auch noch, nachdem das Licht um 19 Uhr abgeschaltet wurde.

Einen Namen zu bekommen, ist im Labor etwas Besonderes. Denn warum einer Maus einen Namen geben, wenn sie nach acht Wochen sterben muss? "Wenn man keine Bindung zum Tier aufbaut, dann ist es nicht so schlimm, wenn es stirbt", sagt die 20-jährige Auszubildende. "Denn das Töten muss sein." Schließlich geht es um Erkenntnisse, die im besten Fall helfen können, Menschenleben zu retten. Nicht umsonst hat sich die gebürtige Leipzigerin für einen Beruf in der Forschung entschieden. Sie interessiert sich außer für die Tierpflege auch für die Versuche, zu deren Zweck die Mäuse gehalten werden. Julia Schakat schaut den Wissenschaftlern gerne über die Schulter und liest die Ergebnisse der Untersuchungen. Hier lerne man mehr als in anderen Tierpflegeberufen, sagt sie. Heimatlose Hunde aufzunehmen oder kranke Katzen aufzupäppeln, das wäre nichts für sie.

In der Tat arbeitet Julia Schakat nicht im Streichelzoo. Sie pflegt Tiere, die nicht in ihrer natürlichen Umgebung leben. Die Mäuse werden benutzt, sie sind Mittel zum Zweck. Manche werden krank, und die meisten sterben keinen natürlichen Tod. Und doch müssen diese Tiere gut versorgt werden.

Die Ausbildung entspricht daher so gar nicht dem Klischee von einer Lehre zum Tierpfleger. Stark umworben sind die Azubi-Stellen "Tierpfleger in der Genetik" folglich nicht. Zehn Interessenten haben sich im vergangenen Jahr auf die eine ausgeschriebene Stelle beworben, berichtet Professor Jörn Walter, Ausbilder in der Genetik. Die Ausbildung zum Laboranten ist beliebter: Auf eine Stelle seien 40 bis 50 Bewerbungen gekommen. Das mangelnde Interesse am Tierpflegerberuf in der Genetik liege laut Walter an der Unkenntnis. "Die meisten Azubis haben in der Regel wenig Ahnung, was auf sie zukommt. Und wenn man ihnen erzählt, was sie zu tun haben, machen viele einen Rückzieher, da sie denken, Tierpfleger arbeiten im Streichelzoo", sagt Walter. "Versuchstierpfleger müssen charakterstarke Menschen sein, die dem Ganzen positiv gegenüberstehen und sich auch mit den Zielen des Berufs identifizieren können."

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HintergrundAn der Universität des Saarlandes lernen nicht nur Studenten. Derzeit beschäftigt die Hochschule auch mehr als 60 Lehrlinge in insgesamt zehn Berufen: Ausgebildet werden Biologielaboranten, Chemielaboranten, Elektroniker, Fachangestellte für Medien und Informationsdienste, Fachinformatiker, Feinwerkmechaniker, Kaufleute für Büromanagement, Mediengestalter, Sport- und Fitnesskaufleute und Tierpfleger. Freie Ausbildungsstellen finden Interessierte im Internet unter den Stellenausschreibungen der Universität des Saarlandes (www.uni-saarland.de ) . pam

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