Da war Musik drin

Saarbrücken · Dem Streit im Vorfeld zum Trotz: „The Musical Man“ von Joachim Meßner ist eine exzellente Dokumentation, ein persönliches und sehr menschliches Porträt.

 Musiker Frank Nimsgern, der jetzt im Zentrum einer sehr sehenswerten Dokumentation steht. Foto: Yvonne Kronz

Musiker Frank Nimsgern, der jetzt im Zentrum einer sehr sehenswerten Dokumentation steht. Foto: Yvonne Kronz

Foto: Yvonne Kronz

Die Floskel "Ende gut, alles gut" passt nicht ganz. Aber immerhin steht jetzt fest, dass die Dokumentation "The Musical Man" über den saarländischen Musiker Frank Nimsgern nun doch beim Saarbrücker Ophüls-Festival läuft - einige Tage lang hatte es so ausgesehen, als fliege der Film aus dem Festivalprogramm. Der Grund war ein massiver Konflikt zwischen Nimsgern und dem Regisseur Joachim Meßner: Nimsgern erhob Einspruch gegen den Film, weil er ihn nicht autorisiert zur Veröffentlichung freigegeben hat. Meßner sagt, es sei gar nicht an Nimsgern, einen Dokumentarfilm über ihn freizugeben, es gebe keinerlei Vereinbarungen.

Die Streit-Chronik: Mitte Januar erscheint der Ophüls-Katalog und kündigt "The Musical Man" als Sondervorführung an. Ich frage bei Joachim Meßner an, ob er Material schicken könne, damit man den Film vorab vorstellen kann. Meßner erklärt, er wisse gar nicht, ob der Film beim Festival läuft, da Frank Nimsgern beim Festival Einwände gegen die Vorführung erhebe. Auf Nachfrage beim Festival erklärt Ophüls-Leiter Philipp Bräuer: "Es sind einige Rechte bei dem Film noch nicht final geklärt."

Nachfrage bei Frank Nimsgern. Der sagt: "Der Film wird nicht gezeigt. Von uns wurde der Film nicht autorisiert, wir haben, als er eingereicht wurde, diesen Film nie gesehen." Anruf bei Joachim Meßner, der die Entstehungsgeschichte des Films erläutert: "Meine Idee war, einen langen Dokumentarfilm herzustellen, der zeigt, wie schwierig der Weg an die Spitze im deutschen Musical-Geschäft sein kann, mit wie viel Mühe und Enttäuschungen, aber auch Glück ein solches Leben verbunden sein kann. Frank fand die Idee gut." Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat Meßner Nimsgern begleitet, zu Konzerten, Proben, Vertragsverhandlungen, nach Berlin, München, Köln. Meßner: "Er forderte mich aber auch auf, private Dinge zu drehen." Meßner filmt unter anderem die Geburt von Nimsgerns Tochter. Aus 90 Stunden Material erstellt er eine Zweistunden-Fassung, die er beim Ophüls-Festival einreicht.

Als Nimsgern von der geplanten Vorführung erfährt, wendet er sich ans Festival; die Vorführung steht auf der Kippe, der Kartenvorverkauf wird gestoppt, Nimsgern und Meßner nehmen sich Anwälte.

Während Meßner betont, es habe keine Absprachen über Autorisierungen gegeben, lässt Nimsgern über seinen Anwalt mitteilen, aus dem gefilmten Material "sollte gemeinsam ein Dokumentarfilm entstehen. (…) Die zum Teil sehr offenen, privaten und gar intimen Statements wurden nur abgegeben vor diesem Hintergrund und in der Gewissheit, die Aussagen und ihre Wirkung später noch einmal überprüfen zu können." Umstritten sind vor allem die Szenen, die Meßner im Kreißsaal gedreht hat - laut Meßner auf Wunsch Nimsgerns. Laut dessen Anwalt seien diese Bilder aber "ausschließlich für das private Archiv gedacht".

Die Anwälte von Nimsgern und Meßner bemühen sich um eine Einigung, weitreichende Schnitte werden verlangt und abgelehnt, ein Ultimatum verstreicht ohne Ergebnis - doch am Donnerstag vergangener Woche kommt ein Kompromiss zustande, am Freitag bestätigt das Festival, dass der Film laufen wird - in einer einige Minuten kürzeren Version. Laut Meßner und Nimsgerns Anwalt werde bei den Szenen im Kreißsaal eine andere Perspektive gewählt, eine Interviewpassage mit Nimsgerns Vater und eine weitere Szene werden herausgenommen. In dieser Form wird der Film am kommenden Sonntag ab 14.45 Uhr im Cinestar 1 laufen. Ob Meßner und Nimsgern beide die Premiere besuchen werden, ist noch unklar. Die Diskussion nach dem Film (siehe Text rechts) sollte interessant werden. Wie gut, dass man sich noch einigen konnte und der Film nun läuft - denn "The Musical Man" ist eine erstaunliche Dokumentation: das Porträt eines nicht immer einfachen Künstlers in einem schwierigen Beruf, in dem Eigenvermarktung, Konkurrenz und Eitelkeit eine große Rolle spielen. Fernab glatter PR-Bilder zeigt Meßners Film Frank Nimsgerns Arbeitswelt in seinen schönen, unschönen und auch in seinen manchmal banal-pragmatischen Momenten: Enttäuschung etwa über ein mäßig besuchtes Konzert, viel Unterwegssein mit dem Rollkoffer, Verhandlungen mit einem Theater über den Ankauf seines Musicals, ermüdende Proben, das Leben als musikalischer Handelsreisender. Meßner fügt manchmal Zwischentitel ein wie "Das Bussi-Business" oder "Alle wichtigen Geschäfte beginnen mit Smalltalk". Befragt hat er für seinen Film unter anderem Nimsgerns Eltern, die Lebensgefährtin, den Bruder, die Kollegin Aino Laos, Peter Altmaier und SST-Intendantin Dagmar Schlingmann.

Eine grundlegende Stärke des Film ist, dass Meßner sein Porträt, in dem es auch um Familienstrukturen, Prägungen in der Kindheit und Durchsetzungsvermögen geht, nicht mit einer Art anonymer Kamera filmt, sondern seine Gegenwart stets spürbar bleiben lässt; oft stellt er Fragen - und geht Nimsgern bisweilen auch spürbar, nachvollziehbar (und vielleicht gewollt) auf den Nerv. So gelingen immer wieder intime Momente, in denen Nimsgern hinter die glänzende PR-Fassade blicken lässt, die er an anderer Stelle - etwa bei Trimmdich-Szenen - wieder aufrecht erhält. Dadurch ergeben sich interessante Reibungen in diesem sehr persönlichen und letztlich sehr menschlichen Film.

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