Cromme wird bei Siemens zur Reizfigur
München · Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme soll nach dem Willen vieler Aktionäre möglichst bald abtreten. Alleine die von ihm mit betriebene Ablösung des früheren Vorstandschefs habe 17 Millionen Euro gekostet.
. Seit 15 Jahren sitzt Gerhard Cromme im Aufsichtsrat des Münchner Siemens-Konzerns. Urteilt man nach der Intensität von Missfallensbekundungen, ist der amtierende Oberaufseher zur persona non grata verkommen. Immer wenn ihn ein Redner bei der diesjährigen Hauptversammlung des Konzerns zur baldigen Regelung seiner eigenen Nachfolge auffordert, brandet heftiger und anhaltender Beifall unter den 7700 Anwesenden auf. Die Siemens-Eigner nehmen dem bald 71-jährigen übel, wie er vergangenen Sommer den Wechsel des gescheiterten Siemens-Chefs Peter Löscher zum neuen Hoffnungsträger Joe Kaeser gemanagt hat. "Dilettantisch", urteilte eine Aktionärin unter Applaus. Das Urteil ist verständlich angesichts der Schlammschlacht um die Neubesetzung an der Siemens-Spitze. Nicht nur Kleinaktionäre sondern vor allem auch Vertreter mächtiger Fondsgesellschaften wie die der Deutschen Bank watschten Cromme ab. Vor allem er habe es auch zu verantworten, dass Löscher 2012 einen neuen Fünfjahresvertrag erhalten hatte, als sein Stern schon im Sinken war. Deshalb musste er 2013 per goldenem Handschlag verabschiedet werden, der Siemens 17 Millionen Euro gekostet hat, rügte ein Redner.
Reihenweise forderten die Aktionäre die Reizfigur Cromme auf, seinen Aufsichtsratsjob nicht bis zu dessen regulärem Ende 2018 zu erfüllen und möglichst schon zum Eignertreffen im nächsten Jahr einen geeigneten Nachfolger vorzustellen. Der Angesprochene nahm die geballte Kritik weitgehend ungerührt entgegen. Er versprach zwar, alle Nachfolgeplanungen im Aufsichtsrat frühzeitig einzuleiten. Das Urgestein der deutschen Wirtschaft ließ aber offen, ob er damit sich selbst meint. Siemens hat ein turbulentes Jahr hinter sich, bei dem Löscher nicht der einzige Topmanager war, der seinen Hut nehmen musste. Unter anderem Vizeaufsichtsratschef Josef Ackermann und drei Vorstände mussten gehen, darunter die beiden einzigen Frauen des Spitzengremiums.
Einen Vertrauensvorschuss genießt indessen der seit vorigen August amtierende Konzernchef Kaeser, der zuvor lange Jahre Finanzchef war. An ihn sind hohe Erwartungen geknüpft. Siemens ist unter Löscher gegenüber Konkurrenten wie dem US-Rivalen General Electric sowohl bei Wachstum als auch Profitabilität zurückgefallen. Die Münchner hätten zudem in vielen Bereichen ihre Innovationsführerschaft verloren, mahnten kritische Aktionäre auf der Hauptversammlung. Kaeser will im Mai die neue Strategie vorlegen, die Siemens wieder an die Spitze bringen soll. Allzu radikale Schnitte plant der Vorstandschef aber offenbar nicht. Er kann auch so erste Erfolge vorweisen. Im Auftaktquartal des Anfang Oktober beginnenden Geschäftsjahres 2013/14 legte der Gewinn nach Steuern um ein Fünftel auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro zu. Siemens profitiert vom noch unter Löscher eingeleiteten Sparkurs und einigen Großaufträgen.