Commerzbank drängt Staat heraus

Frankfurt. Commerzbank-Chef Martin Blessing will den Staat mit aller Macht loswerden. Dafür verprellt er wieder mal die Aktionäre. Die staatliche Stütze war Blessing von Anfang an ein Dorn im Auge

Frankfurt. Commerzbank-Chef Martin Blessing will den Staat mit aller Macht loswerden. Dafür verprellt er wieder mal die Aktionäre. Die staatliche Stütze war Blessing von Anfang an ein Dorn im Auge. "Über den Ausstieg des Bundes denke ich seit Anfang 2009, als der Staat eingestiegen ist, nach", sagte der 49-Jährige gestern in einer Telefonkonferenz, auch wenn er sich dann noch brav bedankte: "Die Unterstützung seitens der Politik und des Steuerzahlers war während der Finanzkrise sehr wichtig für uns. Hierfür bedanken wir uns nochmals ausdrücklich."Mit einer erneuten Kapitalerhöhung im Volumen von 2,5 Milliarden Euro könnte Blessing jetzt auf die Zielgerade einbiegen. Zumindest die Stillen Einlagen - 1,63 Milliarden Euro an Hilfsgeldern des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin als auch die Stille Einlage des Versicherungskonzerns Allianz (750 Millionen Euro), will er komplett tilgen. Der direkte Anteil des Staates soll unter die Marke von 20 Prozent sinken. "Aus unserer Sicht ist das ein Wendepunkt für die Bank. Es ist der Einstieg in den Ausstieg des Bundes", sagte Blessing.

Wenig Freude bereitet der Schritt den Aktionären. Der Kurs der Commerzbank-Anteile gab erneut kräftig nach und näherte sich wieder der Marke von einem Euro. Von einstigen Höhen ist das Papier meilenweit entfernt: Die Aktie hatte im Frühjahr 2000 ihr Allzeithoch von knapp 38 Euro erreicht. Nach der Finanzkrise stürzte das Papier ab und notiert seit Herbst 2011 zwischen einem und zwei Euro. "Die Bank tritt mit dieser Ankündigung ihren Aktionären in den Hintern, das ist eine Unverschämtheit", schimpft Analyst Dirk Becker von Kepler Capital Markets. "Mit der massiven Ausgabe neuer Anteile setzt die Bank ihren Weg, permanent Aktionärsvertrauen zu zerstören, unbeirrt fort. Das holen sie nicht wieder zurück."

Seit Jahren haben Commerzbank-Aktionäre keine Dividende gesehen. Dass Blessing den Anteilseignern nun vage Hoffnung auf eine Gewinnausschüttung macht, dürfte die Gemüter kaum besänftigen. Denn für 2013, das stellt der Manager klar, werden die Aktionäre erneut leer ausgehen. Zu groß sind die Belastungen aus dem Umbau der Bank und die Unsicherheiten aus der Finanzmarkt-Regulierung.

Zumindest das Image als Penny-Stock mit Kursen unter einem Euro könnte die Commerzbank endlich abschütteln. Denn die Aktien sollen im Verhältnis 10 zu 1 zusammengelegt werden, die Zahl der Papiere soll somit von derzeit 5,83 Milliarden auf 583 Millionen Stück sinken.

Der Staat war nach der Lehman-Pleite Mitte September 2008 bei der Commerzbank eingestiegen, die mitten in der Finanzkrise die mit Altlasten behaftete Dresdner Bank übernommen hatte. Insgesamt flossen 18,2 Milliarden Euro staatliche Hilfsgelder, davon 16,4 Milliarden Euro als Stille Einlage. Den Löwenanteil davon hatte die Bank mit einer früheren Kapitalerhöhung getilgt.

Meinung

Der hohe Preis der Freiheit

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Commerzbank kauft sich frei. Der Staat ist zwar nicht ganz draußen, aber die Sperrminorität ist weg. Damit kann die Bank auch gegen den Willen des Großaktionärs agieren. Die Entscheidung der Bankspitze hat sein Gutes, ärgert sich doch die Konkurrenz mächtig über den staatlichen Rückhalt, die der Bank Vorteile brachte. Je eher diese Marktverzerrung endet, desto besser. Den Preis für die neue Freiheit zahlen die Aktionäre. Das ist die Kehrseite der Kapitalerhöhung. Die Anteilseigner haben in der Finanzkrise schon viel Geld verloren, jetzt verlieren sie noch mehr.

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