Commerçons Kurskorrektur

Saarbrücken. Ulrich Commerçon scheint entschlossen, seinen Amtsantritt im Kulturministerium als Zäsur zu nutzen: Organisations- und Personalstrukturen würden grundsätzlich durchdacht, hatte der SPD-Kulturminister dieser Tage in der SZ angekündigt. Nun äußert er sich erstmals auch zur Stiftung Kulturbesitz

 Vordringliche Baustelle für den neuen Kulturminister: Der Vierte Pavillon. Foto: Oliver Dietze

Vordringliche Baustelle für den neuen Kulturminister: Der Vierte Pavillon. Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. Ulrich Commerçon scheint entschlossen, seinen Amtsantritt im Kulturministerium als Zäsur zu nutzen: Organisations- und Personalstrukturen würden grundsätzlich durchdacht, hatte der SPD-Kulturminister dieser Tage in der SZ angekündigt. Nun äußert er sich erstmals auch zur Stiftung Kulturbesitz. Gegenüber der Saarbrücker Zeitung erklärte Commerçon: Der Ende 2011 vom Kabinett der Jamaika-Regierung beschlossene Entwurf eines neuen Stiftungsgesetzes werde so nicht weiterverfolgt. Commerçons Haupt-Korrektur betrifft das Amt des Kurators, das er selbst ausfüllen möchte. "Der Kulturminister muss Kurator bleiben. Es wäre nicht nachvollziehbar und würde die Bedeutung der Stiftung abwerten, wenn sich der dafür zuständige Minister nicht selbst um die wichtigste Museums-Institution des Landes kümmern würde." Mit dieser Aussage setzt sich Commerçon vom bisherigen SPD-Kurs ab. Die Fraktion hatte die Argumentation des Landesrechnungshofes aufgegriffen, der Kulturminister dürfe sich nicht selbst kontrollieren. Commerçon sagt jetzt: "Das bedeutet nicht, dass der Kulturminister das Kuratorium verlassen muss. Ein anderes Ministerium kann die Rechtsaufsicht übernehmen."Beibehalten möchte Commerçon das von Jamaika eingeführte Vieraugen-Prinzip in der Führungsetage der Stiftung. Dem Museums-Vorstand soll weiterhin ein kaufmännischer Geschäftsführer zur Seite stehen. Derzeit bilden Interims-Vorstand Meinrad Maria Grewenig und Bernd Therre das Führungs-Duo. Eine Dauerlösung? Dazu möchte sich Commerçon nicht äußern. Grewenig hat allerdings bereits öffentlich signalisiert, dass er bereit wäre, die Leitung der Stiftung dauerhaft zu übernehmen - zusätzlich zu seinem Generaldirektorenamt im Völklinger Weltkulturerbe.

Ob es dazu kommt, müsste nach dem heutigen Stand und nach Maßgabe des Jamaika-Entwurfs das Kuratorium bestimmen. Doch Commerçon wird, wie er sagt, auch die Rolle und Aufgaben von Beirat und Kuratorium anders fassen als im Gesetzesentwurf. Auch würden alle Gremien neu personalisiert, spätestens im Mai 2013, wenn die Amtszeit der meisten Mitglieder sowieso ende.

Commerçon kündigte außerdem gegenüber der SZ eine breite Debatte mit Bürgerbeteiligung über die zukünftige Nutzung und Gestaltung des Vierten Pavillons und der Modernen Galerie an. Bekanntlich ist zur Zeit eine "Lenkungsgruppe" mit der Aufgabe betraut, ein Konzept zu entwickeln. Drei Arbeitsgruppen bearbeiten die Themen: Museumsprofil, Weiterbau sowie Fassade/Umfeldgestaltung. Commerçon: "Wir werden den Vorschlag der Lenkungsgruppe nicht einfach umsetzen, sondern ihn den Bürgern zur Diskussion stellen."

Ein Akt der Vernunft

Von SZ-RedakteurinCathrin Elss-Seringhaus

Handelt der neue SPD-Kulturminister nach dem Motto: Was kümmert mich das dumm' Geschwätz von gestern? Commerçon selbst hat sich so gut wie nie zur Stiftungsaffäre geäußert. Doch zweifelsohne vollzieht er eine Rolle rückwärts zur SPD-Meinung. Freilich: Es ist ein Akt der Vernunft. Denn das unter äußerst gespannten jamaikanischen Koalitions-Bedingungen gebastelte neue Stiftungsgesetz war ein Schnellschuss, war Flickwerk, weil die Sondersituation des damaligen Kulturministers Stephan Toscani berücksichtigt wurde. Der war Kultur- und Innenminister zugleich, konnte also nicht mehr Kurator bleiben. Nun hat die große Koalition die Chance, etwas wirklich Tragfähiges zu entwickeln. Das "Geschwätz" von gestern kann dazu tatsächlich wenig beitragen. Es war nicht sachorientiert, sondern von Polemik geprägt.

Hintergrund

Der Landesrechnungshof hat nicht nur die Spesen-Affäre Melcher aufgedeckt, sondern auch Organisations- und Kontroll-Defizite in der Stiftung kritisiert. Bezüglich der Wahrnehmung des Kuratoren-Amtes in der Stiftung durch den Kulturminister sah der Rechnungshof einen "Interessenkonflikt": Der Minister kontrolliere sich quasi selbst. Empfohlen wurde, dass kein mit der Stiftung in Verbindung stehender Minister oder Landesbediensteter die Kuratoren-Funktion wahrnehmen sollte. Zumindest müsse, so der Prüfer, "die Rechtsaufsicht sowie die Zuwendungsgewährung und -prüfung an ein anderes Ministerium abgegeben" werden. In Folge hatte auch die SPD diese Meinung vertreten, wobei die Zuspitzung erfolgte, der Kulturminister dürfe keinesfalls mehr Kurator sein. Grüne und FDP neigten ebenfalls dieser Haltung zu. Sie setzten im Stiftungsgesetz-Entwurf einen "externen" Kurator durch. Die CDU stimmte zu, wollte jedoch zumindest im Kuratorium Minister vertreten sehen. Mit der Begründung, dass es in einer Stiftung, die zu hundert Prozent von Steuergeldern finanziert ist, auch eine staatliche Mitsprache geben müsse. ce

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