China kauft sich weltweit ein

Brüssel. China ist hungrig. Kanadischer Ölsand, brasilianisches Zuckerrohr, kalifornische Solarpanels oder Banken und Autos aus Europa: Peking geht weiter auf Einkaufstour, während Europa, die Vereinigten Staaten und Japan unter gigantischen Haushaltsdefiziten stöhnen. Mitten in der Krise pachtete das Reich der Mitte für insgesamt 35 Jahre den strategisch wichtigen Athener Hafen Piräus

Brüssel. China ist hungrig. Kanadischer Ölsand, brasilianisches Zuckerrohr, kalifornische Solarpanels oder Banken und Autos aus Europa: Peking geht weiter auf Einkaufstour, während Europa, die Vereinigten Staaten und Japan unter gigantischen Haushaltsdefiziten stöhnen. Mitten in der Krise pachtete das Reich der Mitte für insgesamt 35 Jahre den strategisch wichtigen Athener Hafen Piräus. Für 2,1 Milliarden Euro will China im afrikanischen Ghana den Hafen erweitern, eine Eisenbahnlinie und eine Autobahn bauen. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZWE) belegt, dass Pekings Einkäufer in der zweiten Jahreshälfte 2009 an 145 Übernahmen beteiligt waren. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres schnellte die Zahl schon auf 100 hoch - von denen jede einen dreistelligen Millionenbetrag überstieg. Insgesamt betrugen die Auslandsinvestitionen im Vorjahr satte 46 Milliarden Dollar (32,7 Milliarden Euro). In den zurückliegenden fünf Jahren waren es 266 Milliarden (189 Milliarden Euro). Auf der Rangliste der weltweit wichtigsten Investoren rückte der Drache von Platz zwölf auf acht vor. Und die Einkaufstour ist noch lange nicht zu Ende. Vor fünf Jahren gab die Pekinger Zentralregierung den "Leitkatalog für Auslandsinvestitionen" mit der patriotischen Parole "Schwärmt aus" heraus. Im prall gefüllten Portemonnaie lagen unvorstellbare 1,9 Billionen Euro an Währungsreserven. Kein anderes Land der Welt kann da mithalten. "Ziel ist es, das Monster China , das so wahnsinnig wächst, von außen zu füttern", sagt Alexander Roos, Partner und Experte für Übernahmen bei Boston Consulting. Dabei geht man nicht ohne Strategie vor. Unternehmen aus dem Reich der Mitte suchen sich gezielt Firmen aus, die Zugriffe auf Rohstoffe haben sowie Betriebe, die den industriellen Maschinenbau beherrschen. Deshalb legte sich der Staatskonzern Geely im April auch den inzwischen heruntergekommenen schwedischen Autobauer Volvo zu. Vigen Nikogosian, Wissenschaftler am ZEW: "Durch diesen Deal verschaffte man sich nicht nur den Zugang zu modernster Automobiltechnologie und den Zugang zum europäischen Markt, sondern kann eigene Kunden auch mit einer bekannten Marke bedienen." Der chinesische Wirtschaftsprofessor Zheng Han, der an der St. Gallener Universität lehrt, ergänzt: "Noch vor fünf Jahren konzentrierten sich chinesische Unternehmen auf den strategischen Zugriff auf Rohöl, Eisenerz und Kohle, heute stehen Technologien und Handelsmarken im Fokus."Wie bei Lenovo. Der bis dahin kaum bekannte Betrieb hatte sich 2005 die IBM-PC-Sparte gesichert und stieg über Nacht zum viertgrößten Hersteller von Personal Computern weltweit auf. In Europa liebäugeln die Pekinger Investoren mit Unternehmen, deren Produkte nur geringen Gewinnrisiken ausgesetzt sind. Das gilt beispielsweise für das britische Stromnetz. Die meisten Investitionen fließen nach Indien, die USA und Großbritannien. Deutschland folgt auf Platz 13. Elf Milliarden Euro hatten die Chinesen 2009 im Gepäck, als sie hierzulande vorsprachen - von Audi über BMW bis VW. Meinung

Grenzen für die Großmacht

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes Die Angst vor dem chinesischen Drachen wächst. Pekings Shoppingtour durch die Welt hat ein Ziel: Die Herrschaft über Rohstoffe und technisches Know-how. Zusammen mit der immer restriktiveren Exportpolitik für wichtige Schätze aus der Erde ergibt sich erst das Gesamtbild. Der unterbewertete Yuan gehört ausdrücklich zum Konzept, um für andere Märkte so billig produzieren zu können, dass einheimische Güter dort keine Chance mehr haben. Die Strategie Chinas passt genau in dieses Schema. Deshalb ist es jetzt auch so wichtig, die neue Großmacht in die bestehenden Regelungen des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, aber auch der Vereinten Nationen einzubinden.

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