China hält Börsen weltweit in Atem

Frankfurt · Voller Sorge blicken Anleger nach China: Die Konjunktur in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde lahmt gewaltig. Die Börsen weltweit gehen auf Talfahrt – in teilweise rasantem Tempo.

Das schwächelnde Wirtschaftswachstum in China hat die Anleger rund um den Globus in Alarmbereitschaft versetzt. Der Dax sackte nach heftigen Kursturbulenzen in Asien gestern erstmals seit Januar wieder unter die Marke von 10 000 Punkten. Die Jahresgewinne sind damit ausradiert. Auch an anderen Börsen in Europa ging es zu Beginn der neuen Handelswoche abwärts. An der Wall Street in New York kam es anfangs zum befürchteten Kurseinbruch - später erholte sich der Dow Jones wieder.

Am härtesten traf es die Aktienmärkte in Asien. Die Shanghaier Börse erlebte den schlimmsten Einbruch seit acht Jahren, wichtige Aktienindizes lagen mit rund acht Prozent im Minus. Der japanische Nikkei-Index gab um 4,6 Prozent nach und fiel erstmals seit fünf Monaten unter die Marke von 19 000 Punkten. Einem Bericht des "Wall Street Journals" zufolge denkt Chinas Regierung nun über Maßnahmen nach, die die Konjunktur und den Finanzmarkt stützen sollen.

Jahrelang profitierten die großen Wirtschaftsmächte vom rasanten Wachstum im Reich der Mitte - nun geht die Sorge um, die Zeit des chinesischen Konjunktur-Turbos könnte vorerst vorbei sein. Zwar war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt von Januar bis Juni im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 noch um sieben Prozent gewachsen. Aber das Wachstum war so schwach wie seit 25 Jahren nicht mehr. Auch in anderen Schwellenländern wie Brasilien erlahmt die Wirtschaftskraft. Für Anleger zählen zudem vor allem die Zukunftsaussichten - und die Schätzungen von Experten versprechen so schnell keine Besserung.

"Viele Länder haben sich in eine immense Abhängigkeit von China begeben, die sie nun extrem verletzlich macht", sagt Sandra Hepp vom China-Institut Merics in Berlin. Chinas Wachstumsraten werden unweigerlich weiter sinken - mit globalen Konsequenzen. "Der Weltwirtschaft stehen schwere Zeiten bevor", warnt Hepp. Auch deutsche Exporteure seien stark abhängig vom Reich der Mitte. "Nicht zuletzt deutsche Autobauer könnten von einem Abschwung in China empfindlich getroffen werden."

Der Deutsche Industrie-und Handelskammertag (DIHK) betonte, es gebe trotz der Turbulenzen an den Börsen keinen Anlass zum "Alarmismus". Größter Absatzmarkt für die deutschen Unternehmen seien noch immer die Industrieländer, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) betonte in einer Mitteilung: "Der Aktiencrash an den chinesischen Börsen hat lediglich die kurzfristigen Höhenflüge der vergangenen Monate beendet."

Wie sich die Situation in China weiter entwickelt, ist offen. Die Regierung hat bereits viele Milliarden in den Markt gepumpt, konnte ihn aber nicht stabilisieren. Wirtschaftsprofessor Hu Xingdou vom Pekinger Technologie-Institut sieht strukturbedingte Probleme. "Über kurz oder lang kann der Aktienmarkt nur besser werden, wenn die Probleme in der Wirtschaft gelöst werden", sagt der Experte. "Je mehr Intervention, umso schlimmer entwickelt sich der Markt", meint Hu Xingdou. "Es ist ein Teufelskreis."

Durch den Kursrutsch seit Mitte Juni sind nach Schätzungen mehr als vier Billionen US-Dollar (knapp 3,5 Bio Euro) an Werten vernichtet worden. Die Kurse sind trotz aller Eingriffe um rund 40 Prozent gefallen. Es war nur eine Börsenblase. "Es ist ein Fehler, anzunehmen, dass eine Börse, die 150 Prozent hoch geht, ohne dass es gute Wirtschaftszahlen gibt, auch noch stabil ist", sagt der Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke. "Die Märkte sind zu lange zu hoch getrieben worden." Leider habe die Regierung dazu viel Geld in die Hand genommen, um die Kurse oben zu halten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort