Chefin auf Zeit

Saarbrücken · Die Interims-Chefin des Saarlandmuseums, Kathrin Elvers-Svamberk, plant unter anderem eine Präsentation der Neuerwerbungen seit dem Jahr 2000. Mit der SZ sprach sie über ihre Ideen für das Haus.

 Kathrin Elvers-Svamberk im Saarlandmuseum. Foto: Iris Maurer

Kathrin Elvers-Svamberk im Saarlandmuseum. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Das Rennen ist vorbei, bevor es richtig los ging. Kathrin Elvers-Svamberk hat sich gar nicht erst beworben um die Melcher-Nachfolge. "Ich halte einen frischen Blick und einen unbelasteten Start der Sache für dienlicher", erklärt sie, ohne damit anzudeuten, dass sie womöglich als ehemals rechte Hand des entlassenen Vorstands Ralph Melcher zu dicht dran ist an der Stiftungs-Affäre. "Mit Melcher hat es nicht nur Einvernehmen gegeben", stellt die Sammlungsleiterin der Modernen Galerie in ihrer typischen Art fest, die jedes Nachbohren als Aufdringlichkeit disqualifiziert.

Ihr Nein zu einem Saarbrücker Vorstandsposten hängt auch mit ihrer Lebenssituation zusammen: einer überwundenen Krebserkrankung und einer Pendel-Ehe Saarbrücken-Berlin. Nach der Zeit als Chefin wird sie also wieder zurücktreten ins zweite Glied, zwischen die rund 30 Mitarbeiter des Teams. In der "Wir"-Form spricht die große Rotblonde aus dem Norden über die nächsten Ausstellungsvorhaben, die bis ins Frühjahr 2014 angelegt sind. Dann dürfte der neue Vorstand gefunden sein. Es bleibt wenig Gestaltungsspielraum, denn die Moderne Galerie ist bis Oktober besetzt durch eine Grewenig-Schau ("Hyperreal"). "Ich kann keine letzten Worte sprechen", sagt Elvers-Svamberk. Aber sie wird "Modifikationen" der Grewenigschen Linie vornehmen - in der Architektur würde man das Rückbau nennen. "Die Moderne Galerie wird derzeit als Ausstellungshalle bespielt. Wir möchten die Sammlungsbestände wieder in den Fokus rücken", sagt sie. Und: "Wir möchten eine Atmosphäre herstellen, die den Dialog zwischen Betrachter und Original befördert. Ich finde es schmerzhaft, wenn die erlesene Architektur des Schönecker-Baus nicht mehr zum Tragen kommt, weil sie für gigantische Transparente statt für Originalkunstwerke genutzt wird." Nein, sie schätzt sie wohl wirklich nicht, Grewenigs Strategie, Ausstellungen wie ein Fertigprodukt einzukaufen und aggressiv zu bewerben.

Rembrandt im September

Sie rückt die Sammlung in den Fokus. Am Schlossplatz will sie zum Advent ein "Schmankerl" der Grafischen Sammlung präsentieren: Illustrationen der Grimmschen Märchen, gezeichnet von Albert Weisgerber. Im September soll ein Teilbereich des Wechselausstellungs-Pavillon der Modernen Galerie reaktiviert werden und die angekündigte kleine Sensation aufnehmen: Rembrandt-Grafiken aus der hochkarätigen Schweriner Sammlung.

Als eigenes Projekt hat sich Elvers-Svamberk "2000+ Meisterwerke der Gegenwartskunst" vorgenommen. Sie möchte Neuzugänge des Saarlandmuseums der vergangenen zwölf Jahre in der Modernen Galerie vorstellen: Wols oder Schley oder Deroubaix, auch zurück erworbene Weisgerber-Werke. Die meisten wurden bisher wegen des Pavillon-Anbaus noch nie gezeigt - es ist eine famose Idee. "Es soll für die Bürger erlebbar werden, welche Bereicherung ein vergrößertes und modernisiertes Haus bringt."

Generell hält Elvers-Svamberk eben dies für ein Hauptversäumnis der Affären-Jahre: Dass niemand der Öffentlichkeit die Qualitäten des twoo-Architekten-Entwurfs erklärte. Statt dessen habe man die Bürger mit dem "unerfreulichen Anblick eines unansehnlichen Betonklotzes" allein gelassen. Um das zu ändern, will sie den Rohbau für Führungen öffnen.

Und was wäre Programmatisches zu sagen? "Im digitalen Zeitalter sollte man den visuellen Bilderterror im Museum nicht überschreien wollen, sollte nicht den Massengeschmack abbilden, sondern das individuelle Wahrnehmen dafür fördern, wie Künstler auf unerwartete, unkonventionelle Art die Welt entwerfen." Das Museum ermögliche Kontemplation durch sinnliche Erfahrung: "Es ist ein Ort des Glücks, der Freude, der Erkenntnis und der Freiheit." Das klingt nicht nach PR-Konzept, auch nicht nach Pathos, sondern nach gelebter Erkenntnis - und könnte ansteckend wirken. Die Besucherzahlen in den Häusern sind immer noch beschämend. Jawohl, sagt Elvers-Svamberk, "Wir haben wieder eine Mission."

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Zur PersonKathrin Elvers-Svamberk (47), in Stade geboren, hat unter anderem in Saarbrücken Kunstgeschichte studiert und über Manet promoviert. Das Saarlandmuseum lernte sie als Praktikantin kennen, arbeitete an der Staatsgalerie Stuttgart und bis 2003 in einer Kölner Galerie. 2004 wurde sie vom damaligen Vorstand Ralph Melcher als Assistentin und Sammlungsleiterin der Modernen Galerie engagiert. In Saarbrücken kuratierte sie die Projekte Paul Klee (2006) und Archipenko (2008) sowie die Ausstellungen Matthias Schauffler und Jan Scharrelmann. Sie tritt ihr Amt als Interims-Leiterin des Saarlandmuseums erst nach Grewenigs formalem Amtsende an (Publizierung des neuen Stiftungsgesetzes im Amtsblatt), wohl Mitte oder Ende Mai. Elvers-Svamberk ist seit 1991 verheiratet, ihr Mann lebt in Berlin. ce

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