Cate Blanchett und „ein fetter kleiner Mann“

Cannes · Neben der hehren Kunst zeigt das Festival in Cannes gerne auch mal einen großen Unterhaltungsfilm – besonders gerne, wenn ein Star mitkommt. So reiste nun die Oscarpreisträgerin Cate Blanchett an und war unterhaltsamer als ihr Film.

Eigentlich hätte das als Unterhaltungs-Intermezzo gut in die Mitte des Festivals gepasst - für den Zeitpunkt, wenn man mal eine dringende Auszeit braucht von den Härten und Tragödien der Wirklichkeit, die in Cannes gern auf der Leinwand zu sehen sind. Doch der Animations-Fantasyfilm "Drachenzähmen leicht gemacht 2" stürmte mit vielen Wikingern und bunten Drachen schon über die Leinwand, da hatte das Festival kaum richtig begonnen. Als eine der prominenten Sprecherinnen brachte der Film dafür immerhin Cate Blanchett an die Croisette, die bei der Pressekonferenz ironischen Witz bewies - unter anderem als sie berichtete, dass sie ihre Kinder jeden Tag vor der Schule ihre Oscar-Statuette 15 Minuten streicheln lässt. Das war letztlich unterhaltsamer als der Film selbst, der mit anderen Animationsblockbustern wie "Shrek" oder "Madagascar 3", die das Festival so gerne als Event ins Programm packt, nicht mithalten kann: Beim Dauerfeuer mit hervorragend animierten Actioneinlagen bleiben Charme und Humor auf der Strecke, der Film ist schnell vergessen.

Ganz anders ist das beim Palmenkonkurrenten "Timbuktu", in dem in einer Szene ein paar junge Männer irgendwo in Mali, in der Stadt Timbuktu, Fußball spielen. Sie schießen Pässe und Flanken, sie dribbeln, vergeben mal eine Chance, treffen mal zielsicher ins Tor. All das wäre eigentlich nicht weiter außergewöhnlich, würden die jungen Männer hier nicht ohne einen Ball spielen. Fußballspielen ist schließlich verboten, seit die islamistischen Fundamentalisten die Stadt unter ihrer Kontrolle haben. Und nicht nur das: Die Frauen sollen Handschuhe tragen, Musik ist verboten, das Zusammensein unverheirateter Paare ebenfalls - was hier zu einer Steinigung führt. "Timbuktu" zeigt, wie die Jihadisten das öffentliche Leben mit beliebigen wie unsinnigen Regeln lähmen, die sie selber nicht konsequent einhalten. Dabei gelingen dem Regisseur Abderrahmane Sissako eindringliche Momente und starke poetische Bilder. Eine erste, preiswürdige Überraschung im Wettbewerb.

Preisverdächtig ging es weiter. Mit "Mr. Turner" inszenierte Regisseur Mike Leigh die letzten 25 Jahre im Leben eines anderen, alten, britischen Meisters: die des 1851 gestorbenen Malers William Turner, der mit seinen romantischen Landschaftsbildern berühmt wurde, die sich auch in dieser bildstarken Filmbiografie wiederfinden. Darüber hinaus belebt der Filmemacher mit großer Detailfreude das Viktorianische England und findet dabei eine Balance aus komischen, tragischen und hin und wieder durchaus anrührenden Situationen, während er seine fragmentarische und sehr gemächliche Erzählung ausbreitet.

Das größte Ereignis ist dabei Timothy Spall, der sich durch die eigenwillige Titelrolle grunzt, grummelt, gnarzt. "Genies haben eben nicht immer auch die romantischste Verpackung", sagte der Schauspieler in Cannes. "Turner war ein lustig aussehender, fetter, kleiner Mann, und das bin ich auch - was aber seine Seele anbelangte, brauchte es schon etwas mehr Recherche." Der 57-jährige Brite spielt eine der größten Rollen seiner Karriere.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort