„Bürokratischer Irrsinn“

Berlin · Das Bundesarbeitsministerium hat eine Reform der „Arbeitsstättenverordnung“ auf den Weg gebracht. Teile der Union und der Wirtschaftsverbände sehen ein neues Bürokratie-Monster am Werk.

Der Ärger in der Union über den zusätzlichen Verwaltungsaufwand zur Einhaltung des Mindestlohns ist noch längst nicht verraucht, da droht neues Ungemach: Es geht um die Änderung der so genannten Arbeitsstättenverordnung. Von der Öffentlichkeit praktisch unbemerkt war eine erste Vorlage dazu bereits im vergangenen Oktober vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Einvernehmlich, wie es dort üblich ist. Mittlerweile liegen aber Korrekturwünsche des Bundesrates am Entwurf des SPD-geführten Arbeitsministeriums vor, die die Kritik befeuert haben. "Das ist bürokratischer Irrsinn in Absurdistan", sagt Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer.

Die Arbeitsstättenverordnung legt fest, was Unternehmer für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz ihrer Belegschaft zu beachten haben. In der geplanten Fassung treiben die Auflagen aus Kramers Sicht aber bizarre Blüten. "Die Politik hat nicht erkannt, welche Brisanz hinter Paragrafen steckt, die harmlos klingende technische Details beschreiben", klagte der BDA-Chef. Tatsächlich laden viele der im schönsten Amtsdeutsch gehaltenen Formulierungen zum Schmunzeln ein. Etwa, wenn es heißt: "Arbeitsplätze sind Bereiche, in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit tätig sind". Oder wenn es um "Anforderungen an tragbare Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche Verwendung an Arbeitsplätzen" geht. Gemeint sind Laptops und Tablets.

Nach Lachen dürfte den Betriebseignern allerdings kaum zumute sein, wenn sie demnächst auch die heimischen Tele-Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter daraufhin prüfen müssen, ob die Beleuchtung mindestens 500 Lux beträgt, der Raum durch den laufenden Computer nicht zu warm wird, oder der Schreibtisch groß genug ist, um vor der Tastatur des PCs ein Auflegen der Handballen zu ermöglichen. Laut Verordnungsentwurf gelten Telearbeitsplätze nämlich als "vom Arbeitgeber eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten".

Die Vorgabe, wonach beispielsweise Sanitär- und Erste-Hilfe-Räume sowie Kantinen "ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen haben müssen", erregt ebenfalls die Gemüter. Als ob etwa Toiletten stets ein Fenster hätten. Zur Begründung heißt es, das Tageslicht wirke sich "positiv auf die physische Gesundheit" aus. Zwar fordert der Bundesrat, die Sanitär- und Erste-Hilfe-Räume von den Auflagen auszunehmen. Im Gegenzug verlangt die Länderkammer jedoch eine Verschärfung an anderer Stelle: Demnach soll jedem Arbeitnehmer bald auch eine abschließbare Kleiderablage an seinem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen.

Die Bundesregierung muss nun entscheiden, wie sie mit den Änderungswünschen des Bundesrates umgehen will. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss ist im Februar zu erwarten. Da es sich um eine Verordnung handelt, ist der Bundestag nicht damit befasst.

Arbeitgeber-Präsident Kramer mahnte indes einen Stopp des Vorhabens an. Wenn die Regierung glaubhaft von Bürokratie-Abbau sprechen wolle, müsse sie diesen "völlig unrealistischen und praxisfernen Plänen" entgegentreten.

Meinung:

Neue Toiletten fürs Büro

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Die Absurditäten der Berliner Ministerialbürokratie nehmen kein Ende. Wenn Unternehmer jetzt die Heim-Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter kontrollieren und ihre Toiletten so umbauen sollen, dass sie mit Tageslicht versorgt werden, ist das einfach nur noch weltfremd. Natürlich ist es richtig, dass Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz gewährleistet sein müssen. Aber angesichts des demografischen Wandels werden Unternehmen schon von sich aus immer mehr dafür tun, dass sich Mitarbeiter in ihren Unternehmen wohl fühlen. Ob Fenster in Toiletten dafür entscheidend sind, darf bezweifelt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort