Bürgerschaftswahl am 26. Mai Der bange Blick der Genossen nach Bremen

Berlin/Bremen · Für die SPD sieht es derzeit nirgendwo in Deutschland richtig rosig aus. Der kurzzeitige Eindruck, die Talsohle sei durchschritten, wirkte zuletzt doch nur wie ein flüchtiger Anschein: 19, 18 und nun wieder 15 Prozent attestieren Umfragen der Partei im Bund.

„Wir haben in 150 Jahren schon anderes erlebt“, sagte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) kürzlich. Recht hat er, aber es mutet auch ein bisschen an wie das Pfeifen im Walde. Der Mann, der seit 2015 das kleinste Bundesland regiert, zusammen mit den Grünen, stellt sich in drei Monaten erstmals dem Wahlvolk. Und eins will er ganz sicher nicht: als der Bürgermeister in Bremens Geschichte eingehen, der das Rathaus an die CDU verliert und somit die seit 1945 ununterbrochene SPD-Herrschaft vorerst beendet.

Und es geht bei Leibe nicht nur um Bremen. Das Land macht nur den Auftakt im Reigen der Landtagswahlen, gibt gewissermaßen den Grundton vor. Im Herbst folgen Brandenburg, Sachsen, Thüringen. Ob die rote Bastion Bremen steht oder fällt, hat da Signalcharakter. Das ist auch den Genossen am Samstag beim Landesparteitag klar, als sie ihr Programm für die Bürgerschaftswahl verabschieden. „Die Frage, wie Bremen abschneidet, und dass Bremen weiter sozialdemokratisch regiert wird, ist eine entscheidende für die Zukunft der gesamten SPD“, sagt Sieling. Bei der Wahl gehe es auch darum, welches Gewicht und welche Bedeutung die „traditionsreiche und wichtige Partei“ SPD für Deutschland weiter nehmen werde. Der Blick geht also auch nach Berlin, wo die Parteizentrale liegt und die SPD in der Bundesregierung sitzt.

Im dortigen Willy-Brandt-Haus wird dem Doppel-Wahlsonntag am 26. Mai mit Hoffnung, aber auch viel Bangen entgegengefiebert. Die Europawahl ist der erste bundesweite Stimmungstest für die SPD seit der Bundestagswahl. Bei der Europawahl 2014 war die Partei mit Spitzenkandidat Martin Schulz auf 27,3 Prozent gekommen, 2017 im Bund noch auf 20,5 Prozent. Nach ihrer Profilschärfung als linke Sozialstaatspartei sah es bei den Umfragen zunächst etwas besser aus, die Emnid-Befragung für die „Bild“-Zeitung sah die SPD auch weiterhin bei 19 Prozent – doch laut ZDF-„Politbarometer“ rutschte die SPD zuletzt wieder auf 15 Prozent. Alles was in Richtung 20 Prozent geht bei der Europawahl, würde bei der SPD Stoßseufzer der Erleichterung auslösen.

Nicht weniger als Schicksalswahl wird die Wählerentscheidung in Bremen wahrgenommen. „Das Ding müssen wir nach Hause fahren“, sagt ein führender Genosse aus dem Bundestag. Im Berliner Regierungsviertel beteuern Sozialdemokraten noch, man wolle mit erfolgreichem Regieren punkten. Doch herbe Wahlniederlagen nicht nur bei der Europawahl und in Bremen, sondern auch bei den zeitgleichen Kommunalwahlen in neun weiteren Bundesländern könnten die Koalitionskritiker der Partei stärken und Eruptionen hervorrufen, die zu einer Ablösung von Parteichefin Andrea Nahles und zum Bruch der Koalition mit der Union im Bund führen könnten.

Ein Verlust der roten Hochburg an der Weser würde sicher eine eruptive Wirkung haben. Vor fünf Jahren kam die SPD in Bremen auf 32,8 Prozent, das war damals schon das schlechteste Landesergebnis der Nachkriegszeit. Selbst ein Ergebnis von 30 oder 28 Prozent wird derzeit als illusorisch angesehen. „Wie soll das gehen? Wir müssen eine nüchterne Ehrlichkeit zeigen“, sagt ein erfahrener Bremer Genosse. Meist liegt die SPD im Stadtstaat um die sieben Prozentpunkte über dem Bundestrend.

Und so liefert sie sich in den Bremer Umfragen denn auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU. 24 Prozent wurden zuletzt für die SPD gemessen – 25 für die CDU. „CDU überholt SPD in Bremen“, so schreckte der „Weser-Kurier“ am 8. Februar in einer Umfrage des Instituts Infratest-Dimap die Genossen auf.

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