Bürgerkrieg in Belgien

Saarbrücken · Sie mixen Zeitebenen, Kino- Melodramen, Computerspiel-Welten, Operngesang und Tanz zu einer neuen visuellen Erfahrung: Das Performance-Kollektiv Superamas stellte sich bereits 2009 vor. Diesmal lieferte die Truppe eine abgedrehte Show darüber, wie Gaddafi Belgien befreit.

 Sexy Polit-Show: „Theatre“ von Superamas in der Alten Feuerwache. Foto: Iris Maurer

Sexy Polit-Show: „Theatre“ von Superamas in der Alten Feuerwache. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Es ist schon ziemlich anders, was Superamas so treiben. Nicht nur die Story selbst, die Gaddafi zum Mörder des belgischen Königs und zum Befreier macht, hat was Irrwitziges. Es ist die Hyper-Künstlichkeit dieser musik- und bildgewaltigen Show, die auf einer traditionellen Bühne abseitig bis provozierend wirkt. Dort erwartet man schließlich Live-Leistung. Stattdessen singen die Tenöre in der Alten Feuerwache Playback, und die Haupt-Action liefern Avatare auf einer Riesenleinwand. Dort sieht man Kriegs-Geballer, Liebesgeflüster, Tyrannen-Mord und Party-Glamour vor romantischer Wüstenkulisse. Immerhin sind die Hüftschwünge der drei Bauchtänzerinnen echt, eine verführerisch-laszive Augenweide. Und auch die martialischen Kongress-Reden der Politiker - Originalzitate aus dem Off - werden uns in ihrem falschen Demokratie-Pathos "real", sprich durch Darsteller, vorgeführt. Doch neben Ariel Sharon, Muammar Gaddafi und Nicolas Sarkozy taucht eine türkische Ministerpräsidentin auf. Also doch kein Doku-Theater? Jede Verzerrung ins Fiktive ist bei Superamas erlaubt, ja Konzept. Man soll sich eben nicht mehr auf die eigene Perspektive verlassen, sondern sie wechseln: Stell die Welt mal Kopf.

"Theatre" knöpft sich die Illusions- und Lügen-Maschinerie vor, die den "Clash der Kulturen" antreibt. Ausgangspunkt der mit seichten Dialogen gespickten Handlung ist das Renaissance-Fresko von Filippo Lippi "Das Fest des Herodes": Salome fordert nach einem Entschleierungstanz, sprich nach einem Striptease, die Enthauptung von Johannes, dem Täufer. Richard Strauss hat das "veropert", wir hören die Musik. Zuvor sind wir Zeuge einer Lehrstunde über die Erfindung der Zentralperspektive in der Renaissance, anschließend folgt ein nicht eben origineller "Tanz der sieben Schleier".

Gattungen, Medien, Zeiten verkleben zu einer brüchigen Collage, dabei kennt Superamas keine Scheu vor Kitsch und Künstlichkeit. Im Gegenteil, die Truppe quetscht beides ans Herz, bis es kracht und wir uns abgestoßen, veräppelt oder gelangweilt fühlen. Von dieser Theaterform, die unsere platte Realität durch weitere Plattheiten zu enttarnen sucht? Eher wohl von der Art, wie die Welt-Politik Konflikt-Bewältigung inszeniert: als Entertainment-Beitrag in den Medien, als lässiges Computer-Shooting-Spiel, als Kongress-Ritual - allseits überformt und aufgepoppt durch Sex- und Machtsymbolik. Eben dies imitiert und persifliert "Theatre". Im Publikumsgespräch hieß es, das Stück habe keine Botschaft, aber eine Mission: Widersprüchliche Gefühle auszulösen. Das hat geklappt.

Karten und Infos unter:

Tel. (06 81) 95 80 93 35.

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