Bücher in Geiselhaft

Saarbrücken · „Der kaltwütige Herr Schüttlöffel“ ist eine brillante solistische Tour de force, bei der Thomas Freitag scharfe Satire mit hohem Unterhaltungswert kombiniert. Am Samstag gastierte er im Theater Blauer Hirsch in Saarbrücken.

 Zornig auf den Zeitgeist: Kabarettist Thomas Freitag macht als Bibliothekar Herr Schüttlöffel seinem Ärger Luft.Foto: Kerstin Krämer

Zornig auf den Zeitgeist: Kabarettist Thomas Freitag macht als Bibliothekar Herr Schüttlöffel seinem Ärger Luft.Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Seit 30 Jahren arbeitet er in einer Stadtbücherei, die nun geschlossen werden soll - zu teuer, zu unwirtschaftlich. Wutentbrannt verschanzt sich Bibliothekar Schüttlöffel an seinem Arbeitsplatz und trotzt der Staatsgewalt. Seine Geiseln: Bücher ; seine Waffen: Schiller, Rilke und Kafka; sein Drohmittel für's Äußerste: moderne Lyrik.

Was treibt den Mann? Nichts weniger als die Verteidigung abendländischer Kultur - und ein heiliger Zorn wider Zeitgeist, politischen Irrsinn und angebliche Alternativlosigkeit; gegen Kaputtsparen und Schnäppchenjagen, gegen Sprachverwahrlosung, Tiger-Kapitalismus und öde Gleichmacherei. "Der kaltwütige Herr Schüttlöffel" ist eine brillante solistische Tour de force, bei der Thomas Freitag wie immer scharfe Satire mit hohem Unterhaltungswert kombiniert. Am Samstag gastierte der Kabarettist im Theater Blauer Hirsch - der ernste Hintergrund: Eingeladen hatten die Landesverbände Saarland und Rheinland-Pfalz des BiB (Berufsverband Information Bibliothek) und der Landesverband Saar des DBV (Deutscher Bibliotheksverband), um mit dem Programm auf die Nöte der Institutionsbibliotheken auf dem Saar-Campus aufmerksam zu machen. Im Rahmen der Sparmaßnahmen der Uni sind vor allem geisteswissenschaftliche Einrichtungen betroffen; einige sollen in die SULB (Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek) integriert, andere geschlossen werden. Es droht Stellenabbau.

Da hat es Schüttlöffel vergleichsweise gut, der soll immerhin in einem anderen "Projekt" weiterbeschäftigt werden. Schüttlöffel will aber keine Projekte, er will einen Beruf. Zu seiner Unterstützung - was wäre der hier mit Worten und literarischen Zitaten Slalom fahrende Freitag ohne meisterliche Parodien? - lässt er unter anderem einen frustrierten Karl Marx zu Wort kommen, der jedoch mittlerweile selber der "Geiz ist geil"-Mentalität verfallen ist. Oder den philosophisch geschulten kölschen Frittenbudenbesitzer Sigi, der die deutsche Esskultur von "Salatisten" bedroht sieht. Freitags Botschaft: "Wir können die Welt verändern!" Aber wie? Können wir uns eine bessere Welt überhaupt leisten? Freitag belässt es nicht bei Fragen, er liefert Antworten: "Die Lösung heißt Schuldenerlass!" Bahn frei für neue Tugenden, für Tagediebe und Gaukler. "Lasst uns eine Utopie spinnen!", lautet die Forderung. Denn "Europa ist mehr als eine Währung. Der Mensch ist mehr als Humankapital."

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