"Bloß keine Senegal-Show"

Saarbrücken. Höchst komplex und sehr politisch ist sie immer, die Arbeit von Die Redner. Denn Oliver Strauch, Florian Penner und Claas Willeke verschmelzen das gesprochene Wort, Musik und Videokunst zu multimedialen Performances, die dem Publikum intellektuell einiges abverlangen, auch wenn sie ästhetisch sofort ansprechen

Saarbrücken. Höchst komplex und sehr politisch ist sie immer, die Arbeit von Die Redner. Denn Oliver Strauch, Florian Penner und Claas Willeke verschmelzen das gesprochene Wort, Musik und Videokunst zu multimedialen Performances, die dem Publikum intellektuell einiges abverlangen, auch wenn sie ästhetisch sofort ansprechen. So auch das Projekt zu Léopold Sédar Senghor, das 2011 als Konzert mit senegalesischen Künstlern in Dakar begann (wir berichteten) und jetzt - im Auftrag des Goethe-Instituts - als künstlerische Dokumentation filmisch ausgearbeitet wird. 2013 wird es die Hauptproduktion der Künstlergruppe sein. Bis zum Herbst sind die drei Künstler noch mit einer weiteren Auftrags-Arbeit beschäftigt: Zum Festakt anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der deutsch-französischen Verträge werden sie auf der Grundlage der Rede Charles de Gaulles an die deutsche Jugend (1962) die Performance "Elysée 63" (Arbeitstitel) am 9. 9. in Saarbrücken uraufführen.Aber zurück in den Senegal: Eine Woche waren Schlagzeuger Oliver Strauch, Bassist und Medienkünstler Florian Penner mit Kameramann Philipp Majer (aber ohne Claas Willeke) in Dakar und in Senghors Geburtsort Joal unterwegs. Dort haben sie die senegalesischen Musiker vom letzten Jahr wiedergetroffen, aber auch andere Künstler und Intellektuelle. Darunter Youssou N'Dour - einer der wenigen international bekannten afrikanischen Pop-Stars ("7 seconds"). N'Dour, dessen Kandidatur für die Präsidentenwahl im Senegal Ende Februar von seinem politischen Gegner blockiert wurde, stehe in der Tradition Senghors als Künstler, der sich politisch engagiere, betonen Die Redner. Also ein optimaler Gesprächspartner.

Auch dieses Mal arbeitete man mit afrikanischen Künstlern an Senghors Texten und Gedichten, setzte sie in Musik und Bilder um, fand eine gemeinsame Tonsprache. "Um dem Publikum Senghor näherzubringen, müssen wir die Hintergründe seiner politischen Philosophie beleuchten und Bilder erzeugen", erklärt Florian Penner. Es gelte, Senghors Botschaft von kultureller Toleranz und Versöhnung in einer politisch-ästhetischen Performance umzusetzen, ohne eine "Senegal-Show" zu produzieren. Denn bei allem Sendungsbewusstsein: Immer stehe die Kunst an erster Stelle.

Senghors Rede in der Frankfurter Paulskirche 1968 ist der rote Faden. Darin verteidigt der erste demokratisch gewählte senegalesische Präsident und bedeutendste frankophone Dichter Afrikas seine Philosophie der "Négritude", die die Afrikaner dazu aufruft, stolz zu sein auf ihr kulturelles Erbe, ihre Traditionen, und gleichzeitig die Verständigung mit den ehemaligen Kolonialmächten zu suchen. Das brachte Senghor vor allem in den 60ern, als es um die Dekolonialisierung Afrikas ging, viel Kritik ein. Vor der Paulskirche riefen protestierende Studenten "Studentenmörder", weil Senghor im Mai 1968 Studentenproteste in Dakar mit Waffengewalt niederschlagen ließ.

"Senghor hat zum Beispiel die Sprache der Trommeln mit der Landung auf dem Mond verglichen", sagt Schlagzeuger Strauch. Beides seien außerordentliche kulturelle Leistungen. Strauch zeigt sich fasziniert von den senegalesischen Percussionisten, mit denen er arbeitete und improvisierte. Es sei eine Herausforderung, immer wieder neue Zugänge zu Musik und Kultur des anderen zu finden. Hier liegt der Kern der Redner-Kunst: Bezüge herstellen, Austausch fördern, für Respekt werben - und auch provozieren. Man wird Die Redner sehen, wie sie - gekleidet im Stil der 60er Jahre - an Straßenecken in Dakar mit Senegalesen jammen. "Wir sahen aus wie Kolonialisten, das war für einige Einheimische befremdlich, andere erkannten die Satire", erzählt Penner. Im Film werde man Bilder aus der Paulskirche mit Landschaftsaufnahmen aus dem Senegal gegenschneiden. Senghors Texte haben Die Redner mit einem senegalesischen Schauspieler inszeniert. Auch diese Aufnahmen fließen mit ein. Foto: dpa

Zur Person

Léopold Sédar Senghor (1905 bis 2001) gilt als einer der bedeutendsten frankophonen Dichter und Denker Afrikas. Er war der erste demokratisch gewählte Präsident Senegals (1960-80). Seine Philosophie der "Négritude" nimmt Bezug auf die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA. Im Mittelpunkt steht der Stolz auf das afrikanische Erbe, das es zu bewahren gelte. Statt Konfrontation mit den ehemaligen Kolonialmächten und dem Westen propagierte Senghor, der in Frankreich studierte und erstes schwarzes Mitglied der "Academie Française" war, die Versöhnung der Kulturen. Er gilt als Wegbereiter der afrikanischen Demokratiebewegung. red

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