Bis nach Hinterfurzbach

Homburg. "Man muss sich was trauen", findet Tarek Ehlail. Ein Satz, der vielen Jungkünstlern allzu routiniert entfährt, bei dem 29-jährigen Homburger Regisseur, Ex-Profiboxer und Tätowierer aber Leitmotiv ist

 Mario Adorf in einer Szene zu "Gegengerade". Fotos: Patrick Wamsganz, tok

Mario Adorf in einer Szene zu "Gegengerade". Fotos: Patrick Wamsganz, tok

Homburg. "Man muss sich was trauen", findet Tarek Ehlail. Ein Satz, der vielen Jungkünstlern allzu routiniert entfährt, bei dem 29-jährigen Homburger Regisseur, Ex-Profiboxer und Tätowierer aber Leitmotiv ist. Anders hätte er nicht, als unbekannter Fast-Neuling und filmischer Autodidakt, einen Ensemblefilm mit Stars wie Mario Adorf, Moritz Bleibtreu, Dominique Horwitz, André Eisermann und bunteren Vögeln wie den Pornodarstellerinnen Sexy Cora und Vivian Schmitt auf die Beine stellen können.

"Gegengerade" heißt der Film, in dem ein Schicksalsspiel des 1. FC Pauli um den Erste-Liga-Aufstieg das Zentrum eines Schicksals- und Freundschaftsreigens bildet. Geschrieben hat das Drehbuch ein Freund von Ehlail, Dr. "Moses" Arndt, ein Homburger Hausarzt und nebenbei Besitzer eines Saarbrücker Tatoo-Studios, in dem Ehlail tätowiert hat. Sie kennen sich "schon immer", sagt Arndt, der Ehlail mit zu St. Pauli geholt hat, als der noch 15 war. Im Film gehe es aber nicht vorrangig um Fußball, sagt Ehlail, zudem sei der Verein ja mittlerweile "so in Mode, dass jede Hamburger Werbeagentur sein Büro mit einer St.-Pauli-Flagge" schmücke. Der Film sei vor allem ein "klassisches Kiez-Drama, episodisch erzählt". Nächste Woche feiert er bei Ophüls seine Uraufführung - kurze elf Monate ("ein zeitliches Wunder"), nachdem Ehlail das klassische Finanzierungs-Klinkenputzen begonnen hatte. Die Filmförderung winkte ab, aber Studio Hamburg, der NDR, der SR (wir haben berichtet) und die Saarland Medien haben "Gegengerade" unterstützt. Hinzu kommen Sponsoring und Sachleistungen von über 30 Firmen. Über sein Budget will Ehlail nicht sprechen - "ach schnöder Mammon, viel war es nicht". Zu machen sei dieser Film nur "durch den Verzicht der Beteiligten", also die klassische "Rückstellung", bei der erst bei Gewinn Gage gezahlt wird. Aber funktioniert das auch bei Bestverdienern wie Adorf und Bleibtreu? Nicht ganz, sagt Ehlail, aber etwas günstiger könne man die großen Namen schon bekommen - wenn man es schaffe, an den immer mächtigeren Agenturen vorbeizukommen, sie persönlich zu treffen und zu überzeugen - was Ehlail, einem Mann mit spürbarem Kino-Enthusiasmus, Intensiv-Blick und Schraubstockhändedruck, öfter gelingt als nicht. Abgesehen davon, sagt er, sei "Mario Adorf auch froh gewesen, nicht im zehnten Rosamunde-Pilcher spielen zu müssen". Beim Dreh habe Adorf dann herrlich von seinen knalligen Italo-Schnauzbart-Krimis der 70er erzählt.

2009 hat Ehlail seinen ersten Spielfilm auch bei Ophüls gezeigt, die Punk-Produktion "Chaostage", gedreht mit seiner Firma Sabotakt, die auch Musik-Videos und eine bisher nicht veröffentlichte Doku über Boxer René Weller produziert hat. "Chaostage" fand bei durchwachsenen Kritiken 13 000 Zuschauer und verkaufte sich als DVD noch einmal so viel. "Gegengerade", fotografiert vom Homburger Kameramann Mathias Prause ("Höhere Gewalt", Ophüls 2008), will Ehlail im Eigenverleih in die Kinos bringen und auf einer "Ochsentour" begleiten: "vom Multiplex bis zum Jugendzentrum in Hinterfurzbach". Um so schneller sehe er Geld, mit dem er sein Team bezahlen könne. Danach könnte der Film, hofft Ehlail, in der ARD-Reihe "Debüt im Ersten" laufen. Wie es dann weitergeht, muss sich zeigen. Autor Arndt zumindest hat schon einen neuen Stoff in petto: "New York City Hardcore", eine, wie er sagt, "Endzeitgeschichte im Deutschland des Jahres 2024".

 Regisseur Tarek Ehlail (rechts) und sein Autor "Moses" Arndt.

Regisseur Tarek Ehlail (rechts) und sein Autor "Moses" Arndt.

Termine beim Ophüls-Festival: Mittwoch 22.15, Donnerstag 16.15, Freitag 19.30, Sonntag 11 Uhr im Cinestar. Nach dem Mittwochstermin Premierenfeier im Saarbrücker Modul mit Musik von Egotronic. Eintritt frei.

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