Berührende Texte über Kindheitsorte, sinnlich und klar

Saarbrücken. Der Autor, geboren 1954 in Meßkirch, lebt seit 1995 wieder bei Sauldorf in Baden-Württemberg, wo er auch aufgewachsen ist, und im Wendland. Die Erinnerungen an die Orte seiner Kindheit, die er in seinen Erzählungen verarbeitet hat, sind schmerzhaft - vor allem, wenn es um die Liebe geht. Es ist die Zeit der 50er und 60er Jahre

Saarbrücken. Der Autor, geboren 1954 in Meßkirch, lebt seit 1995 wieder bei Sauldorf in Baden-Württemberg, wo er auch aufgewachsen ist, und im Wendland. Die Erinnerungen an die Orte seiner Kindheit, die er in seinen Erzählungen verarbeitet hat, sind schmerzhaft - vor allem, wenn es um die Liebe geht.Es ist die Zeit der 50er und 60er Jahre. Einige Figuren aus Stadlers früheren Werken sind wieder mit dabei. Und was da erzählt wird, mutet anachronistisch an. "Die Geschichten spielen in einem anderen Jahrtausend", schreibt der Autor. Den Figuren bleibt, aus der schmerzlichen kollektiven Erfahrung des Kriegs in den Konsumismus des Wirtschaftswunders zu fliehen. Und so träumen sie auch alle vom Leben, vom Meer, vom Fernsehen und von Amerika. Wie in der Titel gebenden Erzählung "New York machen wir das nächste Mal". Da, am Rande New Yorks, sind der Vater und sein Vetter Pino nach einer langen Reise im Auto mit den Kindern endlich in der Stadt der Träume angekommen. Die Kinder sind erpicht darauf, die so unvergleichliche Stadt zu erleben. Doch jäh zerplatzt der lang gehegte Traum in der Realität. Denn völlig unerwartet beginnt sogleich nach der Ankunft die Heimreise. Die Enttäuschung ist groß: "Also war die Sehnsucht" danach "bald größer als das Empire State Building."

Schmerz und Sehnsucht sind auch Leitmotive in der Zweisamkeit. So leben die Paare, von denen wir erfahren, in einem Gehege der Sprachlosigkeit. "Meine Frau und ich: Wir sind zwei, von denen ich nur die eine Hälfte kenne. Ob wir die Fremdheit zu zweit erleben oder das Leben alleine fristen - Haltlosigkeit bleibt nicht aus . . ." Leben und Sterben sind bei Stadler wie zwei Seiten einer Medaille. Doch die Motive der Vergeblichkeit und des Sterbens münden stets bei ihm ins pure Vergnügen - in einen sarkastischen und zugleich befreienden, aphoristisch zugespitzten Humor. Der Georg Büchner-Preisträger treibt seine Methode des Aussparens und Andeutens bei einigen sehr kurzen Texten etwas auf die Spitze. Das schmälert jedoch nicht den literarischen Rang der Mehrheit der längeren Prosatexte, die uns berühren. Sinnlich und klar, lakonisch und dicht sind sie großartige Zeugnisse einer außergewöhnlich bildkräftigen Sprache.

Arnold Stadler: New York machen wir das nächste Mal. Geschichten aus dem Zweistromland. 256 S., 17,95 €

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