Berlioz bei den Hörnern gepackt

Saarbrücken. Alles was recht ist: Magnus Lindbergs prachtvolles Klarinettenkonzert begeistert ungemein. Musik aus einem Guss mit dem Hauch des Genialen. Der finnische Komponist (Jahrgang 1958) ist ein technischer Tausendsassa mit witzigen, geschliffenen Einfällen. Er beherrscht souverän alle formalen Anforderungen, um ein Instrumentalkonzert in den Griff zu kriegen

Saarbrücken. Alles was recht ist: Magnus Lindbergs prachtvolles Klarinettenkonzert begeistert ungemein. Musik aus einem Guss mit dem Hauch des Genialen. Der finnische Komponist (Jahrgang 1958) ist ein technischer Tausendsassa mit witzigen, geschliffenen Einfällen. Er beherrscht souverän alle formalen Anforderungen, um ein Instrumentalkonzert in den Griff zu kriegen. Und schließlich verbindet er stilistisch Tradition und Fortschritt zu mitreißenden Ideenfunken.Die Deutsche Radio Philharmonie (DRP) präsentierte das fulminante Werk unter Leitung des jungen finnischen Dirigenten Pietari Inkinen gestern bei der 4. SR-Matinée in der Saarbrücker Congresshalle. Kari Kriiku, der finnische Klarinettensolist, dem das Werk auch gewidmet ist, wurde seinem atemberaubenden Part mit vielen Kadenzen, in jedem Detail gerecht. Das will etwas heißen - denn die fabelhaft orchestrierte Partitur ist mit technischen Fallstricken übersät, was den DRP-Musiker ebenfalls bewusst war.Dirigent Inkinen, bis in jede Faser dynamisch und musikalischen steifen Brisen nicht abgeneigt, arbeitete jugendlich-schwungvoll rhythmische Brisanz und dynamische Subtilität emsig heraus. Eine Interpret wie Orchester mitreißende Leistung, die akustisch ein Höchstmaß an Kongruenz bescherte und die musikalischen Dimensionen ins Transzendente verschob.Virtuosität in vergeistigter Überhöhung: sozusagen das Motto der Matinée. Hector Berlioz, dessen einfallslos-uninteressante Ouvertüre "Der Korsar" das Konzert eingeleitet hatte, steuerte nach der Pause die fünfsätzige "Symphonie fantastique" bei. Inkinen packte den Stier bei den Hörnern und zog die Tempi scharf an, was die häufigen Längen gefühlsmäßig verkürzte und den virtuosen Glanz quer durch alle Instrumentengruppen erhöhte. Und so erlebte man den genialen Anreger Berlioz, den delikaten Instrumentator, den mit einmaligem Klangsinn begabten Orchesterphantasten. Nur den genialen Kunstschöpfer erlebte man nicht. Den Werken Berlioz' fehlt nämlich ein wichtiges Ingrediens, über das Lindberg im Überfluss verfügt: die Vielstimmigkeit. Berlioz nannte Bach einmal einen musikalischen "Barbar". Kein Wunder, wenn bei dieser Einstellung die einzelnen Orchesterstimmen nicht gleichmäßig durchblutet sind. pes

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort