Forschung Beim scharfen Denken ermüdete Gehirnzellen dopen sich selbst

Göttingen · (ml) Wer sich für Sport interessiert, vor allem Radrennen, hat schon von Epo gehört, einem berüchtigten Dopingmittel. Dieses Erythropoietin fördert die Bildung von roten Blutkörperchen und steigert dadurch angeblich die körperliche Leistungsfähigkeit.

 Zum ersten Mal konnten Forscher der Universität Zürich im Gehirn erwachsener Mäuse beobachten, wie sich im Laufe von zwei Monaten Stammzellen (grün) teilen und die neuen Tochterzellen (je nach Entwicklung gelb und orange) zu neuen Nervenzellen (rot) heranwachsen.

Zum ersten Mal konnten Forscher der Universität Zürich im Gehirn erwachsener Mäuse beobachten, wie sich im Laufe von zwei Monaten Stammzellen (grün) teilen und die neuen Tochterzellen (je nach Entwicklung gelb und orange) zu neuen Nervenzellen (rot) heranwachsen.

Foto: Universität Zürich

Epo wird aber auch ganz legal genutzt, um bei Patienten mit Blutarmut (Anämie) die Blutbildung zu fördern.

Epo ist ein Eiweiß, das auch Nervenzellen im Gehirn schützen und regenerieren kann. Das haben Forscher vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen herausgefunden. Die Wissenschaftler berichten, dass geistige Herausforderungen in den Nervenzellen des Gehirns einen leichten Sauerstoffmangel auslösen. Forscher sprechen von funktioneller Hypoxie. Diese regt die Produktion von körpereigenem Epo an. Es wird vor allem in den Nieren, aber auch in der Leber und im Gehirn hergestellt. Bei einer Hypoxie bilden sich in den betroffenen Nervenzellen des Gehirns neue Andockstellen für das Epo, sogenannte Rezeptoren. Aus benachbarten Vorläuferzellen werden sogar neue Gehirnzellen gebildet, und die Zellen verbinden sich effektiver untereinander.

„Wird einem Patient nach einem Schlaganfall Epo verabreicht, verringert das die Schäden im Gehirn und verbessert die Regeneration. Patienten mit Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit bei Schizophrenie, Depression, Bipolarer Erkrankung oder Multipler Sklerose, die wir mit Epo behandelt haben, sind deutlich leistungsfähiger“, sagt die Professorin Dr. Hannelore Ehrenreich vom Max-Planck-Institut.

Ehrenreich und ihr Team haben nun an Mäusen untersucht, wie Epo die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigert. Bei erwachsenen Mäusen, denen Epo injiziert wurde, bildeten sich 20 Prozent mehr Nervenzellen im Hippocampus, einer Gehirnregion, die fürs Lernen und Gedächtnis entscheidend ist. „Außerdem vernetzen sich die Nervenzellen besser und schneller mit anderen Nervenzellen und tauschen dadurch wirksamer Signale aus“, erläutert Hannelore Ehrenreich.

Die Forscher ließen die Mäuse auf Laufrädern trainieren, deren Trittspeichen in unregelmäßigen Abständen angeordnet waren. „Um in diesen Rädern laufen zu können, müssen komplexe Bewegungsabläufe erlernt werden, die für das Gehirn eine besondere Herausforderung sind“, erklärt Ehrenreich. Nach einer Epo-Behandlung lernten die Mäuse die erforderlichen Bewegungen schneller. Zudem waren die Nager deutlich belastbarer.

Um zu verstehen, wie Epo die geistige Leistungsfähigkeit steigert, führten die Forscher eine Reihe von Experimenten durch. Sie fanden heraus, dass Nervenzellen beim Lernen komplexer motorischer Aufgaben mehr Sauerstoff benötigen, als ihnen normalerweise zur Verfügung steht. Der leichte Sauerstoffmangel löst in den Nervenzellen das Signal aus, vermehrt Epo zu produzieren. Dieses Epo steigert dann die Aktivität dieser Nervenzellen, bewirkt die Bildung neuer Nervenzellen aus benachbarten Vorläuferzellen und erhöht deren Vernetzung. „Das verbessert die geistige Leistungsfähigkeit bei Maus und Mensch, was messbar ist“, erklärt Ehrenreich.

Die Forscher gehen davon aus, dass sich die geistige Leistungsfähigkeit durch konsequentes Lernen sowie geistig anspruchsvolle Tätigkeiten und die dadurch gesteigerte Epo-Produktion in den beteiligten Gehirnzellen verbessern lässt. „Ein ähnlicher Effekt wird bei Patienten mit Gehirnerkrankungen durch die Verabreichung von zusätzlichem Epo erzielt“, sagt Hannelore Ehrenreich.

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