Bei Wohnungs-Kündigung auf Härtefälle achten

Düsseldorf. Ein Fall aus Stuttgart lässt alte Menschen erschaudern: Eine 103 Jahre alte Mieterin bekam vom Vermieter die Kündigung und sollte nach 50 Jahren wegen Eigenbedarfes ausziehen (wir berichteten). Weil das publik wurde, machte der Vermieter einen Rückzieher

Düsseldorf. Ein Fall aus Stuttgart lässt alte Menschen erschaudern: Eine 103 Jahre alte Mieterin bekam vom Vermieter die Kündigung und sollte nach 50 Jahren wegen Eigenbedarfes ausziehen (wir berichteten). Weil das publik wurde, machte der Vermieter einen Rückzieher. Aber hätte er sich durchsetzen können? Bei den meisten ordentlichen Kündigungen geht es laut Mietervereinen um Eigenbedarf. Besonders oft passiert das Mietern, wenn der Eigentümer der Wohnung gewechselt hat und der neue Eigentümer in die eigenen vier Wände einziehen möchte. Der Wunsch allein reicht aber nicht aus, dem Mieter zu kündigen. Es gilt der Grundsatz: Kauf bricht nicht Miete.Der Vermieter muss "vernünftige" und "nachvollziehbare" Gründe dafür haben, warum er eine vermietete Wohnung für sich selbst oder Familienangehörige beansprucht. Das kann zum Beispiel die Tatsache sein, dass er wegen eines neuen Job umziehen muss oder aber seine eigene bisherige Mietwohnung gekündigt wurde. Dann sind nichtsdestotrotz die üblichen Kündigungsfristen zu beachten, und zwar bis fünf Jahre Mietdauer drei Monate, bis acht Jahre Mietdauer sechs Monate sowie nach acht Jahren Mietdauer neun Monate.Selbst bei einer einwandfreien Kündigung kann der Mieter aber den Auszug noch abwenden - wenn er sich erfolgreich auf die Sozialklausel des Mietrechts beruft. Geregelt ist das im Paragrafen 574 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Einer ordentlichen Kündigung kann der Mieter demnach widersprechen, wenn die Kündigung für ihn oder für Angehörige eine Härte bedeutet. Typische Fälle von Härte sind beispielsweise: • Hohes Alter des Mieters • Lange Dauer des Mietverhältnisses • Schwere Erkrankung • Behinderung • SchwangerschaftWill sich der Mieter darauf berufen, so muss er grundsätzlich spätestens zwei Monate vor Ablauf des Mietverhältnisses der Kündigung widersprechen - und zwar schriftlich (Paragraf 574b BGB). Aber: "Hat der Vermieter nicht rechtzeitig vor Ablauf der Widerspruchsfrist auf die Möglichkeit des Widerspruchs sowie auf dessen Form und Frist hingewiesen, so kann der Mieter den Widerspruch noch im ersten Termin des Räumungsrechtsstreits erklären", heißt es im Gesetz. Erkennt der Vermieter den Widerspruch nicht an, so muss ein Gericht entscheiden, wessen Interessen stärker zu gewichten sind: die des Mieters oder die des Vermieters. Zwei Beispiele: Eine 85-jährige Mieterin konnte nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg (Az: 518 C 402/06) in der Wohnung bleiben, weil beim Auszug gesundheitliche Gefahren gedroht hätten. Eine vergleichbare Entscheidung fällte das Amtsgericht Berlin-Schöneberg bei einem 81-Jährigen (Az: 103 C 568/97). Das Gericht wertete zu Lasten des Vermieters, dass er beim Kauf der Wohnung bereits vom alten Mieter mit langer Mietdauer wusste. ftx

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