EU-Austritt Großbritanniens Hoffen auf einen raschen Brexit-Durchbruch

Brüssel · Das Warten auf einen Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen geht zwar weiter. Aber im Kreis der EU-Europaminister gab es gestern in Brüssel überraschend positive Einschätzungen. Immerhin sprach Berlins Staatssekretär Michael Roth (SPD) von der Möglichkeit einer raschen Lösung.

 Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.  Foto: dpa

Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. Foto: dpa

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

„Die Zeit ist überreif“, kommentierte Roth den Verhandlungsstand. Er sei optimistisch, „dass wir das Ding noch wuppen werden“. Vorausgegangen waren intensive Beratungen am Wochenende. Diplomaten bestätigten, dass die Vertreter der EU und Londons bis gestern Morgen gegen drei Uhr getagt hatten. So bilanzierten der österreichische EU-Minister Gernot Blümel und etliche Amtskollegen nahezu wortgleich: „Die Verhandlungen haben wieder an Dynamik zugenommen.“

Offenbar gibt es tatsächlich Bewegung beim größten Stolperstein: der künftigen Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland. Zwar hatte der EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier Spekulationen um einen Durchbruch Anfang vergangener Woche noch einmal zurückgewiesen. „Wir haben es noch nicht geschafft“, erklärte er, nachdem London vorgeschlagen hatte, dass Großbritannien vorerst in einer Zollunion mit der EU bleiben könnte. Die Idee liegt weiter auf dem Tisch, würde wohl auch von den 27 Mitgliedstaaten begrüßt, da sich dann zunächst einmal gar nichts ändern müsste. Allerdings sind die EU-Vertreter nicht bereit, eine zeitliche Befristung zu akzeptieren und dem Vereinigten Königreich zuzugestehen, diese Zollunion zu einem späteren Zeitpunkt einseitig zu kündigen. „Da spielen wir nicht mit“, hieß es gestern in Brüssel. „London muss sich auch da an Fristen und einen ordentlichen Umgang mit der EU halten.“ Staatsminister Roth bestätige gestern, dass eine Zollunion als Lösung für den Notfall (Backstop), falls man sich in der geplanten Übergangsphase bis 2020 nicht einigen kann, durchaus akzeptabel sei, „wenn gewährleistet ist, dass es zu keinen unfairen Beziehungen kommt“. Hohe Umwelt-, Arbeitsmarkt- und Sozialstandards sollten auf beiden Seiten gesichert bleiben.

Offenbar wird hinter den Kulissen deshalb intensiv über die Frage gestritten, was denn nun eigentlich unter einer harten Grenze zu verstehen sei, die alle Beteiligten mit Blick auf das Karfreitagsabkommen zwischen Irland und Nordirland unbedingt vermeiden wollen. Soll an allen 257 Übergängen zwischen den Landesteilen Polizei stationiert werden? Handelt es sich um Stationen, die geschlossen bleiben oder nur bestimmten Zeiten geöffnet werden? Soll es nur wenige offizielle Grenzübergangsstellen geben? Oder können beide Seiten auch mit einer bloßen Kamera leben, die Grenzübertritte registriert?

In Brüssel fordert man auf jeden Fall Kontrollen von Waren und Dienstleistungen, die in das Vereinigte Königreich exportiert oder von dort eingeführt werden – aber diese könnten auch anders organisiert werden, um eine harte Grenze zu vermeiden.

Im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs hat die Idee einer zunächst unbefristeten Zollunion auch aus einem Grund Befürworter: Sie würde beiden Seiten Zeit geben. Den Gedanken dahinter machte Spaniens Premierminister Pedro Sanchez gestern in einem Interview klar: „Wenn ich Theresa May wäre, würde ich ein zweites Referendum ansetzen“, sagte er. „Natürlich nicht jetzt, sondern in der nahen Zukunft, damit dann der Weg frei für eine Rückkehr in die Gemeinschaft ist. Vielleicht zu einer anderen Form von Mitgliedschaft, aber dennoch zurück in die EU.“ Und dafür wäre die Zollunion eine günstige Voraussetzung.

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