Begnadigung für die Kettensäge
Saarbrücken. Es gibt Filme, an denen klebt ein schlechter Ruf. Wie "The Texas Chainsaw Massacre". Tobe Hoopers Regiedebüt von 1974 gilt als ein Wegbereiter des modernen Horrorfilms - aber nicht in Deutschland. Hier war er 26 Jahre lang beschlagnahmt: wegen Erfüllung des Straftatbestands gegen §131 StGb: Gewaltverherrlichung
Saarbrücken. Es gibt Filme, an denen klebt ein schlechter Ruf. Wie "The Texas Chainsaw Massacre". Tobe Hoopers Regiedebüt von 1974 gilt als ein Wegbereiter des modernen Horrorfilms - aber nicht in Deutschland. Hier war er 26 Jahre lang beschlagnahmt: wegen Erfüllung des Straftatbestands gegen §131 StGb: Gewaltverherrlichung. Nun ist dieses Verbot per Gerichtsbeschluss aufgehoben, ein Novum deutscher Rechtsprechung.1978 kam Hoopers Film, in dem Touristen im texanischen Hinterland auf eine Familie mit kannibalistischen Neigungen stoßen, als "Blutgericht in Texas" nach Deutschland. Der Verleiher (sinnigerweise hieß er Jugendfilm!) apostrophierte den Film als "Meisterwerk des totalen Horrors", bei mäßigem Publikumszuspruch. Ein Jahr später hielt brachialer Horror mit "Zombie" auch in den Mainstream-Kinos Einzug. Die Gangart verschärfte sich und fand noch mehr Zuschauer, als ab 1981 der Videorekorder einen zusätzlichen Absatzmarkt eröffnete. Besonders Horror war gefragt; je härter, desto besser. Doch im Folgejahr schritten die Behörden ein und setzten die einschlägigen Filme auf den Index, darunter auch "Blutgericht in Texas", der nun, auf Video, "Kettensägenmassaker" hieß. Nach einer Indizierungswelle im Sommer 1984 wurde Klage gegen Filme erhoben, die vermeintlich den Straftatbestand der Gewaltverherrlichung erfüllten. Neben Kannibalenfilmen aus Italien wurde auch "Kettensägenmassaker" beschlagnahmt. Den Film zu vertreiben war nun ebenso verboten wie ihn außer Landes zu kaufen, um ihn dann in die Bundesrepublik einzuführen.
Als die Verbotsfrist nach zehn Jahren erlosch, erneuerte die Staatsanwaltschaft ihre Anklage und erreichte eine Verlängerung des Verbots, zuletzt im Jahre 2010. Doch der aktuelle Rechte-Inhaber Turbine Medien strengte eine Klage an, den Film vor Gericht neu prüfen zu lassen; mit Erfolg.
Doch für eine Freigabe durch die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) fehlt noch die Listenstreichung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Turbine Medien ist zuversichtlich, zumal der alte "TCM" gegenüber der Neuverfilmung von 2003 und Produktionen wie "Saw" oder "Hostel" eher auf Atmosphäre denn auf Schocksensationen setzt, die im Kino von heute längst Alltag sind.
Die Toleranzgrenzen haben sich im Kino verschoben. Die Vertriebswege auch: Beim globalen Warenhandel durch das Internet ist das Verbot eines Films innerhalb geografischer Grenzen nicht mehr effektiv - was den Straftatbestand der Gewaltverherrlichung aber nicht mindert. Immer neue Filme aus den USA, Frankreich und Fernost liefern genug Handlungsbedarf. Vorläufig stützt sich der Jugendschutz dabei primär auf behördliche Instrumente. Mehr denn je aber zeigt sich die Notwendigkeit effizienter Medienpädagogik, gerade auch für Eltern. "Texas Chainsaw Massacre", das Original, ist natürlich kein Film für Kinder. Aber dass er so lange kein Film für mündige Erwachsene sein durfte, liegt am Umgang einer Gesellschaft mit Filmen, nicht an dem Film selbst. umi
Wer sich für die Arbeit der FSK interessiert: Morgen um 20 Uhr zeigt das Kino Achteinhalb (Sb) Oliver Stones "Natural Born Killers". Gast der Veranstaltung mit Diskussion ist Manfred Hahn, Jugendschutzbeauftragter des Saarlandes bei der FSK.
Foto: Jugendfilm