Beethoven mit Turbo-Antrieb

Saarbrücken · Die neue Konzertsaison der Deutschen Radio Philharmonie begann mit Paukenschlägen. Zuvor hatte SR-Intendant Thomas Kleist gestern die Zuhörer in der ausverkauften Kongresshalle begrüßt und Vorschusslorbeeren an die Mitwirkenden verteilt.

Chefdirigent Karel Mark Chichon führte präludierend ein mit "Prelude. Light" des Letten Andris Dzenîtis. Dessen programmatische Idee, "die ersten Sonnenstrahlen verwandeln das Mysterium der Nacht in die Realität der Tagesstunden" wurde durchaus nachhörbar. Auch wenn nach mystischem Sonnenaufgang die Tagesrealität üppig instrumentiert in eher zähen Klangwogen dahinfloss. Sollte das finale Glöckchengeklingel etwa das Ende des Tages mit nächtlichem Sternenhimmel symbolisieren?

Nach der Pause dann Großes: Beethovens "Neunte" mit Schillers Ode "An die Freude". Chichon begann geheimnisvoll, warf dann aber den Turbo an und trieb sein Orchester durch den ersten Satz. Für Beethovens Forderung "maestoso" blieb da kein Raum. Dafür trat eine forcierte Pauke in den Vordergrund, von der Chichon brutales Fortissimo bis an die Schmerzgrenze forderte. Die vielen Pianissimi der Partitur blieben weitgehend auf der Strecke. Dieser Sinfonie ist mit hochpolierter Perfektion allein nicht beizukommen.

Beachtliche Präsenz zeigte im Schlusssatz der Chor, der sich aus dem koreanischen Jeonjo Choir und dem Brünner Tschechischen Philharmonischen Chor zusammensetzte. Klar und scharf zeichnend die Soprane, füllig der Alt, stählern die Tenöre und markant grundierend die Bässe. Für die anstehende Korea-Tournee sollten alle Solisten Koreaner sein; doch die Sopranistin erkrankte und so sprang die in Saarbrücken lehrende Ruth Ziesak ein, sicher und klangschön. Mezzosopranistin A-Kyeong Lee füllte die Altpartie mit warmem Timbre, Ho-yoon Chung bemühte sich um tenorale Präsenz, Bassist Hye-Soon Sonn war obertonreich in baritonaler Lage nicht ganz überzeugend. Insgesamt jedoch wurde Chichon der ornamentalen Bombastik dieser Sinfonie gerecht mit Tempo, Dynamik und Präzision. Die "standing ovations" belohnten die Interpreten reichlich.

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