„Griechenland sollte im Euro bleiben“

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält die Finanzkrise in Griechenland für dramatisch, aber beherrschbar. Mit ihm sprach SZ-Korrespondent Stefan Vetter.

Der griechische Finanzminister sieht nur "unbedeutende, kleine Liquiditätsprobleme ". Soll man darüber lachen oder weinen?

Bofinger: Als Finanzminister würde ich vielleicht auch rosige Worte finden. Aber klar ist, Griechenland hat riesige Liquiditätsprobleme , insbesondere bei den Banken. Denn die Griechen ziehen ihr Geld dort ab. Dadurch fehlt den Banken Liquidität, die dann wiederum von der Europäischen Zentralbank nachgeschoben werden muss. Das zweite große Problem sind die wegbrechenden Steuereinnahmen. Dadurch kann die griechische Staatskasse fällige Rechnungen und Löhne kaum mehr bezahlen.

Trotzdem stoppt Athen beschlossene Privatisierungen und vergrault Investoren.

Bofinger: Mit ihrem nassforschen Auftreten hat die griechische Regierung viel Vertrauen zerstört und dem eigenen Land schwer geschadet. Aber man muss zwei Dinge auseinanderhalten: ihr völlig deplatziertes Verhalten auf der einen und ihr inhaltliches Anliegen auf der anderen Seite. Inhaltlich hat die neue Regierung recht, wenn sie sagt, dass das, was die EU an Sparmaßnahmen von Griechenland verlangt, nicht nur schwerlich umsetzbar, sondern auch dazu angetan ist, den bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung gleich wieder abzuwürgen.

Portugal und Spanien mussten diesen Weg auch gehen.

Bofinger: Griechenland hat die mit Abstand massivsten Ausgabenkürzungen zu verkraften. Portugal und Spanien haben ihre Haushalte nicht einmal annähernd so zusammengestrichen, wie das dort der Fall ist.

Kein Geld ohne Reformen , lautet die Devise der EU. Ist das für Sie ein Irrweg?

Bofinger: Nein, keineswegs. Geld gegen Reformen kann ja auch heißen, an die Strukturen zu gehen. Nötig ist eine klare verbindliche Agenda, wie man das Land reformiert. Und da muss angegangen werden, was auch Deutschland zu Recht fordert: die Reichen stärker zur Kasse zu bitten, einen wirksamen Steuervollzug, das Katasterwesen auf Vordermann zu bringen und die Korruption zu bekämpfen.

Athen redet nur darüber, tut aber nichts.

Bofinger: Wenn manche Regierungsmitglieder dort weniger Interviews geben und besser ihre Arbeit machen würden, wäre das sicher hilfreich. Wahr ist freilich auch, dass sich solche Strukturen nicht von heute auf morgen verändern lassen. Im Grunde genommen bringt die neue Tsipras-Regierung aber die besten Voraussetzungen mit, die Dinge wirksam zu verändern, weil sie nicht die alten griechischen Eliten verkörpert. Genau deshalb gibt es auch große Schnittmengen mit dem, was der deutsche Steuerzahler gern hätte und was Tsipras gern möchte.

Wie wahrscheinlich ist ein Euro-Austritt Griechenlands?

Bofinger: Darüber lässt sich nur spekulieren. Besser ist es, alles dafür zu tun, dass Griechenland im Euro bleibt. Nicht nur wegen der Griechen selbst, sondern wegen des gesamten Euro-Raums. Wenn hier ein Land ausscheidet, wird auch die Währungsunion destabilisiert. Diesen Geist sollte man nicht aus der Flasche lassen. Es gibt auch keinen triftigen Grund dafür. Wir haben in Deutschland ein enormes Maß an Wohlstand. Das hat ganz erheblich mit dieser Währungsunion zu tun. Wir profitieren enorm vom Euro. Leider wird das in Deutschland politisch und ökonomisch viel zu wenig gewürdigt.

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