„Das wird Narben hinterlassen“

Perl · Jorgo Chatzimarkakis, einst Generalsekretär der Saar-FDP ist heute Sonderbotschafter Griechenlands. SZ-Mitarbeiter Bernd Wientjes hat mit ihm über die Situation in Athen gesprochen.

 Jorgo Chatzimarkakis war bis 2014 für die Saar-FDP im Europa-Parlament. Foto: Iris Maurer

Jorgo Chatzimarkakis war bis 2014 für die Saar-FDP im Europa-Parlament. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Als FDP-Politiker hat Jorgo Chatzimarkakis mehrere Jahre lang die Saar- und Europa-Politik mitgestaltet. Seit vergangenem November wirbt der 48-jährige Grieche als Sonderbotschafter für sein Heimatland - berufen noch von der früheren Regierung aus konservativer Nea Dimokratia und sozialdemokratischer Pasok. Zuständig für die "europäische Wirtschaftsstrategie" Griechenlands werbe er bei seinen Auftritten vor allem um Verständnis für die griechische Regierung, sagt er.

Wie ernst meint es die griechische Regierung mit den Reformen ?

Jeder in Griechenland weiß, dass das politische System und auch die Verwaltung des Staates von Grund auf reformiert werden müssen. Auch die neue Regierung erkennt den Reformbedarf an. Die Bekämpfung der Steuerflucht insbesondere der superreichen Oligarchen steht ganz an der Spitze der Reformvorschläge. Die Regierung meint es offenbar wirklich ernst, man sollte sie dabei auch ernsthaft unterstützen.

Wie stehen die Griechen zu den Reformen ?

Chatzimarkakis: Reformen werden dann akzeptiert, wenn sie das Land und seine Menschen auch tatsächlich weiterbringen. Wenn es jedoch ausschließlich darum geht, Geld in den Staatshaushalt zu bringen, dabei aber die Wirtschaft abgewürgt wird, dann sind die Menschen dagegen. Der Protest erfolgte an der Wahlurne und brachte zwei Parteien an die Regierung, die massiv gegen das blinde Sparen angetreten waren. In den ersten vier Wochen erfuhren die Regierung und insbesondere Ministerpräsident Tsipras eine Unterstützung von bis zu 80 Prozent in den Umfragen. Ihm wurde hoch angerechnet, dass er von den Gläubigern zumindest ernsthaft fordert, dass das Sparprogramm so nicht mehr fortgesetzt werden kann.

Wann braucht Griechenland das nächste Hilfspaket?

Chatzimarkakis: Griechenland braucht kein neues Hilfspaket, das nach dem Muster der ersten beiden gestrickt ist. Griechenland braucht einen Aufbauplan, ähnlich dem Marschall-Plan nach dem Zweiten Weltkrieg für ganz Europa. Nur so wurde das deutsche Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit möglich. Dieser Entwicklungsplan wird sowohl Reformen als auch konkrete Investitionsmaßnahmen vorsehen müssen, damit das Land seine Krise endlich überwindet.

Wäre ein Austritt Athens aus dem Euro eine ernsthafte Option?

Chatzimarkakis: Wirtschaftlich wäre der sogenannte Grexit eine Katastrophe für die Griechen, auch wenn die politischen Handlungsoptionen Athens dadurch steigen würden. Die Ende Januar auf Eis gelegten Gespräche mit EZB, EU-Kommission und IWF, früher als Troika bekannt, laufen heute wieder an. Ziel ist der Abschluss des bis Juni verlängerten Rettungsprogramms. Ohne diesen Abschluss können noch bereitstehende Hilfsgelder von insgesamt 7,2 Milliarden Euro nicht fließen.

Derweil haben Europas Finanzminister die Pläne der EU-Kommission gebilligt, Frankreich zwei weitere Jahre Zeit zu geben, um sein Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Die EU-Länder riefen die Regierung in Paris gestern auf, den Fehlbetrag im Budget bis 2017 wieder unter die Vorgabe von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Frankreich musste sich verpflichten, die Haushaltslage in diesem Jahr durch zusätzliche Maßnahmen um weitere 0,2 Prozent zu verbessern. Für 2016 und 2017 werden Verbesserungen von 1,2 und 1,3 Prozent verlang t.

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