Bahnchef Grube gibt sich kleinlaut

Berlin. Kein leichter Tag für Rüdiger Grube. Erst musste der Chef der Deutschen Bahn gestern im Berliner Abgeordnetenhaus über zwei Stunden lang die massiven Ausfälle der S-Bahn erklären, dann hundert Meter entfernt im Bundesratsgebäude vor den Verkehrsministern der Länder die Winterprobleme im Fernverkehr

Berlin. Kein leichter Tag für Rüdiger Grube. Erst musste der Chef der Deutschen Bahn gestern im Berliner Abgeordnetenhaus über zwei Stunden lang die massiven Ausfälle der S-Bahn erklären, dann hundert Meter entfernt im Bundesratsgebäude vor den Verkehrsministern der Länder die Winterprobleme im Fernverkehr. Gemeinsame Erkenntnis beider Sondersitzungen: Die Bahn hat einen massiven Investitions- und Instandhaltungsstau, eine Folge der bisherigen Konzernstrategie, sie für einen Börsengang und das internationale Logistikgeschäft fit zu machen. Dieser Stau soll nun aufgelöst werden.Grube gab sich vor beiden Gremien schuldbewusst und kleinlaut. Zwar machte er jeweils das Zusammenspiel verschiedener technischer Faktoren mit dem besonders strengen Winter verantwortlich, erklärte aber auch: "Für uns hat das Brot- und Buttergeschäft in Deutschland jetzt absolute Priorität." Zurzeit sei man auf Extremsituationen nicht genügend vorbereitet. Er wolle Versäumtes nachholen. Das forderten die Verkehrsminister auch einhellig von ihm. "Wir wollen im Januar 2012 hier nicht noch mal zu einer Sondersitzung zusammenkommen müssen", sagte der Vorsitzende der Länderverkehrsministerkonferenz, Jörg Vogelsänger (SPD). Eine Garantie, dass sich die Ausfälle dieses Winters im nächsten nicht wiederholen, wollte der Bahnchef aber nicht geben. "Bei der Eisenbahn soll man nie etwas garantieren", sagte er. Aber sein Unternehmen tue alles nur Mögliche.

Die Bahn will in den nächsten fünf Jahren 44 Milliarden in Netze und Technik investieren, kündigte Grube an. Doch gibt es immer noch eine Finanzierungslücke, denn der tatsächliche Investitionsstau wird auf 50 Milliarden Euro geschätzt. Die Verkehrsminister SPD-regierter Länder richteten den Blick deshalb auf die 500 Millionen Euro, die das Unternehmen künftig jährlich an seinen Eigentümer, den Bund, abführen soll. Selbst die Fachminister aus Unionsländern unterschrieben gestern, dass "eventuell" auch Gewinne der DB AG eingesetzt werden müssten, wenn das Geld sonst nicht reiche. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will auf die Gewinnabführung jedoch bisher nicht verzichten.

Im Bundesrat wurde Grube relativ freundlich behandelt, im Berliner Abgeordnetenhaus unmittelbar vorher weniger. Die bahneigene S-Bahn konnte in Berlin im Dezember wegen zahlreicher Mängel zeitweise nur mit einem Drittel der Waggons fahren, und das langsamer als sonst. Ganze Bezirke wie Spandau, einwohnermäßig so groß wie Augsburg, waren tagelang vom Schnellbahn-Verkehr abgeschnitten. Und diese Zustände sind nicht neu. Schon seit Sommer 2009 fährt die Berliner S-Bahn, die in Normalzeiten 1,3 Million Fahrgäste pro Werktag befördert, nur unregelmäßig. Viele Kunden, die im Dezember vergeblich auf S-Bahn-Züge warteten, hatten Gratis-Monatskarten in der Tasche, die die Bahn als Entschädigung für die alten Probleme ausgegeben hatte. Eine neue Entschädigung forderten fast alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Die Kosten für das Unternehmen, die der Bahnchef auf 700 Millionen Euro bis 2014 bezifferte, werden dadurch noch höher. In Berlin wird mittlerweile diskutiert, ob die Stadt den 2017 auslaufenden Vertrag mit der Bahn überhaupt verlängern soll. Grube blieb da nur, "trotz allem" um Vertrauen in die Bahn zu bitten. "Bei der Eisenbahn soll man nie etwas garantieren."

Bahnchef Rüdiger Grube

Meinung

Der Brautschleier ist gefallen

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Privatisierung staatlicher Monopolisten kann durchaus etwas Gutes haben - wenn wie im Falle der Telekommunikation die Preise für die Bürger deutlich fallen.

Beim geplanten Börsengang der Bahn sieht das allerdings anders aus. Um die Braut für die potenziellen Investoren aufzuhübschen, hat die Bahn seit Jahren notwendige Investitionen unterlassen. Seitdem wird sie im Herbst von fallendem Laub, im Winter von Schnee und Eis und im Sommer von großer Hitze "überrascht".

Der Brautschleier ist gefallen und enthüllt ein abgemagertes Unternehmen, das dringend aufgepäppelt werden muss, um endlich wieder ein zuverlässiges Transportunternehmen für die Bürger zu werden.

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