Autokrise trifft auch SaarstahlThyssen-Krupp hat Kurzarbeit angemeldet

Saarbrücken. Die Stahlindustrie muss nach einem beispiellosen globalen Boom zurzeit heftig auf die Bremse treten. Indes: Stahl ist nicht gleich Stahl. Je nach Produktionsschwerpunkten und Abnehmerkreis stellt sich die aktuelle Entwicklung anders dar

Saarbrücken. Die Stahlindustrie muss nach einem beispiellosen globalen Boom zurzeit heftig auf die Bremse treten. Indes: Stahl ist nicht gleich Stahl. Je nach Produktionsschwerpunkten und Abnehmerkreis stellt sich die aktuelle Entwicklung anders dar. Das gilt auch für die drei saarländischen Stahlunternehmen: Die AG der Dillinger Hüttenwerke (Dillinger Hütte, DH), die Saarstahl AG (SAG) in Völklingen und für den kleinsten Stahlkocher an der Saar, das Stahlwerk Bous. "Jedes Unternehmen hat völlig verschiedene Produktportfolios und Abnehmer", heißt es im jüngsten Branchenbericht der Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes, der im Januar-Heft von "Wirtschaft im Saarland" erscheint. Die Völklinger Saarstahl AG hat sich zu einem wichtigen High-Tech-Anbieter rund ums Auto entwickelt und ist derzeit mit 60 Prozent vom Gesamtvolumen mehr oder minder stark vom Auto abhängig. Die aktuelle Krise der Fahrzeugindustrie geht deshalb an den Völklingern nicht vorbei. "Wir haben darauf reagiert mit Urlaubs- und Überstundenabbau, Abbau der Zeitkonten und längerem Blockstillstand", erläutert Saarstahl-Arbeitsdirektor Karlheinz Blessing. "Wir wollen bis Ende Januar auf jeden Fall mit dem bestehenden Instrumentarium hinkommen. Wenn sich die Lage bei der Autoindustrie allerdings nicht bessert, müssen wir zu weiteren Maßnahmen greifen", sagt Blessing.Bei der Dillinger Hütte (DH) gehen zwei Drittel der dort gefertigten Grobbleche in den weniger krisenanfälligen Energiesektor. Für das erste Quartal 2009 und darüber hinaus jedenfalls haben die Dillinger schon etliche Energie-Projekte in den Büchern. Zwar sind auch auf dem Grobblechmarkt Rückgänge zu verzeichnen, drastische Einschläge bei DH erwartet Vorstandschef Paul Belche aus heutiger Sicht nicht.In die Stahlwerke Bous wurden in den vergangenen Jahren rund 90 Millionen Euro investiert. Das Geld floss in die Erweiterung der Stahlwerks-Kapazität sowie in eine neue Stranggieß-Anlage, sodass man neben Blockguss künftig auch Langprodukte anbieten kann. "Wir beschäftigen heute 340 Mitarbeiter", sagt Peter van Hüllen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Georgsmarienhütte Holding, zu der die Stahlwerke Bous seit 1998 gehören. Für 2009 sieht er die Beschäftigungslage stabil.Düsseldorf. Der Einbruch kam plötzlich und unerwartet hart. In den ersten neun Monaten des Jahres buchte die deutsche Stahlindustrie noch ein Auftragsplus von acht Prozent, und zum Oktober erhöhten die Branchenführer noch die Preise verschiedener Stahlqualitäten. Im Oktober dann mussten massive Auftragsrückgänge von 40 Prozent für alle Walzstahlerzeugnisse hingenommen werden. Die Produktion von Rohstahl sank um 7,7 Prozent, im November um 15 Prozent. "Die Finanzkrise hat die Stahlindustrie erreicht", konstatierte Hans Jürgen Kerkhoff, der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl schon Anfang November. Für 2008 rechnet er nunmehr mit einem Minus von etwa fünf Prozent. Die Hütten dürften damit zwischen 46 und 46,5 Millionen Tonnen produzieren. Die großen deutschen Konzerne Thyssen-Krupp und Salzgitter haben zunächst den Zukauf von Stahlbrammen zur Weiterverarbeitung in den eigenen Betrieben eingestellt, Schichten gekürzt und den Belegschaften über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel längere Ferien verordnet. Ab Februar steht in den Stahlwerken von Thyssen-Krupp Kurzarbeit an - vorsorglich vereinbart bis September. Salzgitter verhandelt noch über einen solchen Schritt. hwbMeinung

Kein Grund zur Panik

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid Der wirtschaftliche Rückgang in Folge der Finanzkrise geht an der Stahlindustrie nicht vorüber. Im Saarland leidet vor allem die Saarstahl AG, deren Langprodukte als Reifendraht, Schrauben oder Halterungen bei den krisengeschüttelten Autobauern gebraucht werden. Hinter vorgehaltener Hand wird gemutmaßt, dass ab Februar Kurzarbeit droht. Andere - wie die Dillinger Hütte mit ihren Grobblechen - sind besser dran. Wohin die Reise in der Stahlindustrie geht, ist offen. Dennoch ist Panik nicht angebracht. Die deutsche Stahlindustrie ist längst nicht mehr so krisenanfällig wie vor Jahrzehnten. Die Stahlkocher verfügen über hochmoderne Anlagen, sind weltweit wettbewerbsfähig. Außerdem haben sie aus ihren Fehlern gelernt. Früher wurde produziert auf Teufel komm raus. Die Preise rutschten in den Keller. Heute lässt man sich auf einen solch ruinösen Preiswettbewerb nicht mehr ein, passt die Produktion der Lage an.

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