Autohäuser wollen weg von der Grünen Wiese

Stuttgart/Saarbrücken · Erst neue Schuhe kaufen und dann ein Auto nebenan: Um neue Kunden anzusprechen, testen Autobauer derzeit Verkaufskonzepte abseits des klassischen Autohauses am Stadtrand. Die Händler beobachten das mit Argusaugen.

"Wenn man eine Wahl gewinnen will, reicht es oft nicht, die Stammwähler zu überzeugen." Mit diesen Worten beschrieb Daimler-Chef Dieter Zetsche kürzlich auf dem Autosalon in Genf ein neues Vertriebskonzept. Online-Shop, temporäre Läden und Vorzeige-Filialen: Die Schwaben wollen neue Kunden künftig auf Wegen erreichen, die über das klassische Autohaus hinausgehen. Dieser Trend lässt sich in der gesamten Branche beobachten. "Der Vertriebsbereich ist in einer Transformationsphase", erklärt Autoexperte Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach. "Die Autohäuser am Stadtrand gehören meines Erachtens der Vergangenheit an." Daimler hatte mit Blick auf seine Profitabilität erst kürzlich den Verkauf von 36 konzerneigenen Standorten an freie Händler und die Zusammenlegung einzelner Niederlassungen angekündigt, auch im Saarland.

Auch bei BMW wird das Niederlassungsnetz im Rahmen der Vertriebsstrategie "Future Retail" auf den Prüfstand gestellt. "Ich glaube, dass ein neues Vertriebsmodell nötig ist, wo die Händler auch einen Teil verdienen können", gibt Autoexperte Bratzel zu bedenken. "Die Niederlassungen verdienen kein Geld. Das ist eher Imagepflege", erklärt er. "Ein wichtiger Punkt ist, dass wir von unseren Kunden nicht länger erwarten, dass sie uns finden", sagt Zetsche. Ein Beispiel dafür sind Vorzeigeläden in den Innenstädten. Gerade hat Daimler seinen ersten "Mercedes me"-Laden am Ballindamm in Hamburg eröffnet. Man befindet sich inmitten einer Art Begegnungszentrum rund um die Marke mit Café-Charakter. "Wir werden damit Leute erreichen, die samstagmorgens etwas anderes vorhaben, als ins Autohaus zu gehen", so eine Sprecherin.

Hinzu kommen Pop-up-Stores - temporäre Läden in Innenstädten - und ein Online-Shop, in dem Kunden die Fahrzeuge vom heimischen Sofa aus kaufen können.

Audi testet ein neues Konzept mit einem digitalen Autohaus. "Wir haben momentan 50 verschiedene Modelle", sagt ein Sprecher. "Das kann ein Händler nicht mehr im Autohaus darstellen." In der "Audi City" lässt sich hingegen jedes Modell an Leinwände werfen. Vor Ort stehen nur zwei echte Autos. Will ein Interessent eine Probefahrt machen, bringt ein Händler in der Nähe das Modell. Auch die Wartung läuft über Werkstätten in dem Gebiet. "Das Thema Digitalisierung wird für uns und unsere Kunden immer wichtiger", erklärt der Sprecher. Die Bayern haben weltweit mittlerweile drei solcher Autohäuser ohne Autos - eines davon am Berliner Kürfürstendamm. Auch von der Lage unterscheiden sie sich vom herkömmlichen Handel: "Autohäuser befinden sich ja klassischerweise auf der grünen Wiese an der Ausfahrt zum Industriegebiet", sagt der Sprecher. Im Gesamtbild von Hunderten Audi-Neuwagenhändlern ist das derzeit aber ein kleines Puzzlestück.

Händler vor Ort sehen die Veränderungen kritisch. Zuletzt liefen BMW-Händler gegen den Internet-Verkauf des Herstellers Sturm. Werner Entenmann, der Chef des Verbandes: "Wir haben BMW unmissverständlich gesagt, dass direkte Verkaufskanäle von uns abgelehnt werden müssen."

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