Ausdrucksmittel Schmerz: Zum Tod von Louise Bourgeois

New York. Sie war die erste Frau in der Geschichte des New Yorker Museums für Moderne Kunst, der das Haus eine Retrospektive widmete. Louise Bourgeois war schon 71 Jahre alt, als die Einzelausstellung ihr 1982 zu internationalem Ansehen verhalf

 Bourgeois 1990 vor einer ihrer Arbeiten in Barcelona. Foto: dpa

Bourgeois 1990 vor einer ihrer Arbeiten in Barcelona. Foto: dpa

New York. Sie war die erste Frau in der Geschichte des New Yorker Museums für Moderne Kunst, der das Haus eine Retrospektive widmete. Louise Bourgeois war schon 71 Jahre alt, als die Einzelausstellung ihr 1982 zu internationalem Ansehen verhalf. Von da an wurden ihre Skulpturen und Objekte in aller Welt gefeiert, bei der documenta in Kassel, der Biennale in Venedig, der Tate in London, dem Centre Pompidou in Paris. Jetzt erlag die Bildhauerin den Folgen einer Herzattacke. Sie starb im Alter von 98 Jahren.

In der Kunstwelt galt die gebürtige Französin als "Superstar der Avantgarde". Sie war extrem sensibel, gab zu, seit ihrer Kindheit immer und vor allem Angst gehabt zu haben. "Der Ausdruck von Schmerz ist das Geschäft, dem ich angehöre", zitierte die "New York Times" sie. Bourgeois betrachte es als ihre Aufgabe, "Frustration und Leiden eine Form zu geben". Ihre lebenslange Unsicherheit führte die Künstlerin auf einen Konflikt im Elternhaus zurück. Der autoritäre Vater habe vor den Augen seiner Frau und den Kindern eine zehn Jahre währende Affäre mit der im Haus lebenden Gouvernante und Lehrerin gehabt. Die Erinnerung an diese Zeit drückte Bougeois später in Spiralenformen aus: "In meinen Träumen drehte ich der (väterlichen) Geliebten den Hals um, um sie loszuwerden", erläuterte sie das. Ihre von ihr sehr geliebte Mutter, die Weberin war, symbolisierte sie später in einigen Werken als Spinne, was sie positiv verstanden wissen wollte.

Bourgeois studierte zunächst Mathematik, ein Fach, das ihr mit seinen festen Regeln innere Ruhe verschaffte. Doch bald zog es sie zur Kunst, zunächst zur Malerei. Sie besuchte namhafte Akademien und nahm Unterricht bei Fernand Léger. 1938 heiratete sie den US-Kunsthistoriker Robert Goldwater und folgte ihm nach New York, wo sie dem Kreis von Surrealisten um André Breton, Max Ernst und Joan Miró angehörte. Zartheit und Wagemut wurden zu den Polen ihres Schaffens. Witz und Wut würzen ihre Werke. Ihr Latex-Objekt "The Destruction of the Father" von 1974 etwa ist ein Tableau mit Busen- und Phallus-Auswuchtungen. Mit ihm habe sie ihre Fantasien aus der Kindheit verarbeitet, in denen der Vater "von anderen Familienmitgliedern auf den Tisch gezerrt, zerhackt und verspeist wurde".

Bourgeois' Arbeiten wurden als beklemmend autobiografisch, gegenständlich und abstrakt, weich und hart zugleich bezeichnet. Das Managermagazin "Capital", das jährlich einen "Kunst-Kompass" herausgibt, listete die damals schon über 90-jährige Bourgeois 2004 bis 2007 jeweils auf Platz fünf der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. dpa

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