Aus für Praktiker-Zentrale

Kirkel. Die Enttäuschung ist groß bei der Gewerkschaft Verdi. "Mehr war nicht rauszuholen", sagte eine resignierte Steffi Recknagel, die für Verdi die Verhandlungen zwischen dem Management der Baumarktkette Praktiker und dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens geführt hat. Doch jetzt ist die Sache gelaufen

Kirkel. Die Enttäuschung ist groß bei der Gewerkschaft Verdi. "Mehr war nicht rauszuholen", sagte eine resignierte Steffi Recknagel, die für Verdi die Verhandlungen zwischen dem Management der Baumarktkette Praktiker und dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens geführt hat. Doch jetzt ist die Sache gelaufen. Die Praktiker-Zentrale wird bis Ende September nach Hamburg verlegt, wo bereits die Praktiker-Zweitmarke Max Bahr ihren Sitz hat. Von den bislang 700 Arbeitsplätzen in Kirkel bleiben noch 180 übrig.Die Fusion der beiden Zentralen bedeutet letztlich, dass 220 Arbeitsplätze endgültig verloren sind. Dieser Personalabbau soll "weitestgehend sozialverträglich gestaltet werden", heißt es bei Praktiker. Damit ist allerdings nur ein erster Schritt getan. Jetzt müssen die Details des Sozialplans verhandelt werden - und was die ganze Sache kosten soll. Der Vorstand mit Thomas Fox an der Spitze geht von Restrukturierungsaufwendungen in Höhe von 150 Millionen Euro aus. Damit sollen der Umzug und die Schließung von Märkten bezahlt werden. Es ist die Rede davon, dass rund 30 der noch 240 deutschen Märkte dicht gemacht werden sollen. Insgesamt beschäftigt Praktiker 20 000 Mitarbeiter. Deren Jobs sollen zum größten Teil erhalten bleiben, heißt es.

Derzeit sucht das Unternehmen nach Geldquellen und ist offenbar fündig geworden - allerdings zu harten Konditionen. So will Praktiker einen sogenannten Pay-in-Kind-Kredit in Höhe von 170 Millionen Euro aufnehmen. Dieser soll über zwei Jahre laufen, mit neun Prozent verzinst werden und zu 110 Prozent zurückgezahlt werden. Als Sicherheit will das Unternehmen die Max-Bahr-Gruppe, deren Wert auf 200 Millionen Euro geschätzt wird, und die Märkte in Griechenland einbringen. Darüber ist die Praktiker-Hauptaktionärin, die Österreicherin Isabella de Krassny, in höchstem Maß verärgert. Ihr Gatte Alain de Krassny hält zusammen mit Hans-Peter Haselsteiner, Großaktionär und Chef des Baukonzerns Strabag, die Mehrheit an der österreichischen Privatbank Semper Constantia. Semper Constantia ist mit 5,01 Prozent an Praktiker beteiligt. Die Bank arbeitet aber auch mit dem zyprischen Investment-Fonds Maseltov zusammen, der 7,99 Prozent hält. "Ich will diesen überteuerten Kredit, mit dem noch die letzten sicheren Vermögenswerte von Praktiker verpfändet werden, verhindern", sagte sie gestern unserer Zeitung. Sie will, dass das Geld über eine Wandelanleihe mit Bezugsrecht für alle Aktionäre und ohne Sicherheiten eingesammelt wird. Um diese Schlacht zu schlagen, will de Krassny eine außerordentliche Hauptversammlung erzwingen. Dort soll auch der Praktiker-Aufsichtsratsvorsitzende Kersten von Schenck gestürzt werden. "Wenn der einen Funken Anstand hat, sollte er zurücktreten", sagt de Krassny. Er sei mit keiner einzigen Aktie am Unternehmen beteiligt.Foto: Wolf

Meinung

Ein schlimmer Tag

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Für die Praktiker-Mitarbeiter der Kirkeler Zentrale war gestern ein schlimmer Tag. Der als Sanierer gerufene Vorstandsvorsitzende Thomas Fox hat sich auf ganzer Breite durchgesetzt. Für den Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi ist das eine herbe Niederlage. Doch offenbar gab es auch von der Berliner Verdi-Zentrale den sanften Hinweis, nicht so heftig um die Zentrale in Kirkel zu ringen, sondern auch die Jobs der insgesamt 20 000 Praktiker-Mitarbeiter im Auge zu haben. Traurig ist nur, dass die Saarländer eine verfehlte Unternehmenspolitik ausbaden müssen. Für das Saarland bedeutet dies, dass eine weitere unternehmerische Entscheidungszentrale aus dem Land verschwindet.

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