Aufwind für Theaterspiel als Schulfach

Saarbrücken · Die theaterpädagogische Arbeit im Saarland wird neu geordnet. Das Darstellende Spiel soll flächendeckend eingeführt werden. Überzwerg, Staatstheater und Saarbrücker Ludwigsgymnasium kooperieren.

 Schultheater – hier eine Szene aus „Werthers Café“ – wird schon lange am Ludwigsgymnasium in Saarbrücken gepflegt. Nun übernimmt die Schule Beratungsfunktion im Land. Foto: Graff / LG

Schultheater – hier eine Szene aus „Werthers Café“ – wird schon lange am Ludwigsgymnasium in Saarbrücken gepflegt. Nun übernimmt die Schule Beratungsfunktion im Land. Foto: Graff / LG

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Als die ersten hiesigen Theaterpädagoginnen 1989 mit Rückenwind des Kultusministers Diether Breitenbach (SPD ) starteten, wurde ihre Arbeit (siehe Infokasten) als kulturpolitische Eintagsfliege angesehen - schnell erledigt. Zehn Jahre später gab es hier zu Lande bereits 40 Schultheater-Arbeitskreise an den Schulen, das Jugendtheatertreffen in der Feuerwache war erfunden. Und an allen Bühnen der Republik galt hauseigene Jugendarbeit längst als Imagefaktor. Heute ist das "Darstellende Spiel" sogar als Schulfach in den Oberstufen angekommen; die Kultusministerkonferenz definierte es 2008 als Wahlpflichtfach.

Auch im Saarland haben im Schuljahr 2014/2015 laut Kultusministerium über 400 Oberstufenschüler das Fach "Darstellendes Spiel" belegt. Ab dem nächsten Schuljahr sollen es deutlich mehr werden. Minister Ulrich Commerçon (SPD ) sagte der SZ auf Nachfrage: "Ich möchte den Bereich kulturelle Bildung weiter stärken, dazu gehört auch, das Fach Darstellendes Spiel nicht nur wenigen einzelnen Protagonisten zu überlassen, sondern es als ernst zu nehmendes Fach möglichst flächendeckend in die Schulen zu bringen und attraktiv zu machen." Deshalb wird es eine Landesfachkonferenz geben, und eine "Beratungsstelle Schultheater" wird gegründet, am Saarbrücker Ludwigsgymnasium. 30 Lehrerwochenstunden (plus 10 000 Euro) stehen dem neuen Servicezentrum zur Verfügung, das Lehrer in allen Theater- oder Lehrplanfragen unterstützen soll.

Bisher war auch dafür das TPZ zuständig, dort zuletzt Vera Kalb. Als sie im Sommer in Rente ging, setzte das Kultusministerium eine grundsätzliche Neuorganisation des gesamten theaterpädagogischen Bereichs in Gang. "Wir wollten die Strukturen transparenter und übersichtlicher machen", so Minister Commerçon. Herausgekommen ist ein Drei-Säulen-Modell auf der Basis einer engen Kooperation zwischen Ludwigsgymnasium, dem Kinder- und Jugendtheater Überzwerg (St. Arnual) und dem Staatstheater (SST). Dort wird es zukünftig zwei Theaterpädagoginnen geben, die im SST-Stellenplan auftauchen (76 000 Euro plus). Bis dato war das anders: Theaterpädagoginnen waren dienstrechtlich dem Kultusministerium unterstellt. Zukünftig sollen die SST-Theaterpädagoginnen all das organisieren, was unmittelbar mit einzelnen Produktionen und dem Konzertbetrieb zusammenhängt (Probenbesuche, Workshops, Gespräche im Unterricht , Führungen). Die Überzwerge wiederum bekommen 25 000 Euro und sind in ihrem "Kompetenzzentrum Theaterpädagogik " für all das zuständig, was ihren Spielplan und eigene Aktivitäten betrifft. Außerdem schulen sie Lehrer der Primar- und Sekundarstufe darin, wie sie theatrale Mittel in den Unterricht integrieren können.

Meinung:
Es droht Praxisferne

Von SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus

Es war viel Improvisation im Spiel, als die theaterpädagogische Arbeit im Saarland startete. Die Theaterpädagoginnen waren selbstbewusste, kreative Mädchen für alles ohne genau definierten Auftrag. Doch weil das TPZ ein Erfolgsmodell war, behielt das Kultusministerium über Jahrzehnte Personen und Strukturen bei. Grundlegend professionalisiert und konzeptionell überdacht wurde der Bereich nie. Nun macht man die Schultheater-Ausbildung der Lehrer wie auch die Lehrpläne für das Darstellende Spiel überprüfbar. Der letzte Schritt aus der Hobby-Ecke, eine Aufwertung.

Außerdem werden die Überzwerge wie auch das SST entkoppelt und in die Lage versetzt, ihre eigenen theaterpädagogischen Projekte zu entwickeln. Das klingt alles sehr vernünftig. Doch das neue Modell birgt eine Gefahr: Es droht Praxisferne. Denn die unkonventionell-unreglementierte Verzahnung zwischen Theater und Schule, die das alte TPZ leistete, entfällt.

Zum Thema:

Hintergrund1989 wurden vier (Teilzeit-)Lehrerinnen als Theaterpädagoginnen "abgeordnet": Rita Aussem, Regine Eichholz, Edith Hofmann-Valencienne und Vera Kalb. Sie bekamen im Theater Arnual ihr eigenes theaterpädagogisches Zentrum (TPZ). Zu einem Drittel beziehungsweise zu einem Viertel blieben sie noch als Lehrerinnen tätig. Bis Sommer diesen Jahres war das TPZ in St. Arnual untergebracht. Zuletzt gab es dort nur noch eine Theaterpädagogin, eine zweite war direkt beim Saarländischen Staatstheater angesiedelt. Die TPZ-Aufgaben: Lehrer zu Spielleitern fortbilden, Schulmaterialien erstellen, Veranstaltungen für Lehrer /Schüler am Theater organisieren, das Jugendtheater-Festival durchführen, das Schultheatertreffen der Länder vorbereiten. ce

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