Aufregung um "Made in Germany"

Brüssel. "Made in Germany" ist zwar nicht als Gütesiegel anerkannt, kommt diesem - zumindest nach Meinung der Industrie - aber gleich. Nun ist ein Streit um die Zukunft dieser Ursprungsbezeichnung entbrannt

Brüssel. "Made in Germany" ist zwar nicht als Gütesiegel anerkannt, kommt diesem - zumindest nach Meinung der Industrie - aber gleich. Nun ist ein Streit um die Zukunft dieser Ursprungsbezeichnung entbrannt. Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), schlug Alarm: Künftig dürften nur noch jene Produkte die begehrte Aufschrift tragen, die zu mindestens 45 Prozent aus deutschen Wertstoffen bestehen, warnte er. Brüssel plane eine entsprechende Änderung der Produktkennzeichnung. Eine Katastrophe beispielsweise für die Autobauer oder Elektronikhersteller, die viele Bestandteile ihrer Güter auch aus anderen Ländern liefern lassen.In Brüssel herrschte gestern Kopfschütteln. "Die Europäische Kommission weist Berichte über angebliche Einschränkungen bei der Verwendung des ,Made in Germany' zurück", wurde offiziell mitgeteilt. Man habe weder eine Abschaffung noch eine Erschwernis des Labels im Sinn, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung. "In der Diskussion werden bisweilen Regeln für importierte Waren aus Nicht-EU-Staaten und für in der EU hergestellte Waren vermengt." Brüssel habe nur einheitliche Regeln für Herkunftsbezeichnungen angeregt, die für importiere Waren von außerhalb der EU gelten sollten.

Auslöser des Streits ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2009. Die Kommission hatte einen deutschen Konzern verdonnert, Antidumping-Zölle für Stahlseile zu zahlen, die in Nordkorea aus chinesischen Rohmaterialien zusammengebaut worden waren. Gegen chinesische Waren hat Brüssel Zölle verhängt, gegen nordkoreanische nicht. Da der Hauptteil des Produkts aus China stamme, seien Strafzahlungen berechtigt, argumentierte Brüssel. Die Richter waren anderer Ansicht und hoben den Bescheid gegen den Konzern auf.

Ob "Made in Germany" benutzt werden darf oder nicht, wird bis heute nicht durch europäische Regelwerke festgelegt. Entscheidend sind der Zollkodex und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Demnach darf es keine Irreführung der Verbraucher geben. Die Bezeichnung ist solchen Produkten vorbehalten, die in Deutschland "eine für die Produktqualität entscheidende Behandlung" erfahren haben. Nur dann, so sagen die Experten für Markenrecht, werde klargestellt, dass der Kunde mit Recht "besondere Erwartungen bezüglich der Produktqualität und der Zuverlässigkeit haben" dürfe. Dies gilt aber schon als erfüllt, wenn Produkte zu mehr als 90 Prozent im Ausland gefertigt, aber zuletzt in Deutschland bearbeitet wurden.

Tatsächlich arbeitet der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta an einer Neuregelung der Herkunftsbezeichnungen für Waren, die von außerhalb der EU eingeführt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Harmonisierung hatte auch der Bundesgerichtshof bereits 1994 bejaht. Denn mit welcher Kennzeichnung soll eine indische Taschenlampe versehen werden, die von einem deutschen Unternehmen in der Bundesrepublik vertrieben wird? Die Richter hielten die Aufschrift "Made in Germany" damals für irreführend. Brüssel will sich nun offenbar daran machen, solche Fragen zu klären. "Made in Germany" soll dabei erhalten bleiben. dr/dpa

Meinung

Schwindelei

mit Gütesiegel

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Vielleicht wird Herr Driftmann seine Worte der Empörung noch bereuen. Auch wenn Brüssel abwiegelt, ist im Grunde eine strengere Regelung für "Made in Germany" fällig. Denn was draufsteht, muss drin sein. Und das ist nicht der Fall, wenn ein Hersteller ein Produkt als Werk deutscher Wertarbeit verkaufen darf, obwohl gerade mal zehn Prozent der Wertschöpfung hierzulande zu verbuchen sind. Die Vorteile grenzenloser Globalisierung einstreichen und zugleich mit "Made in Germany" werben, das ist Etikettenschwindel. Zum Nachteil auch der Unternehmen, die wirklich hauptsächlich im Hochlohnland Deutschland fertigen.

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