Aufbruch und Routine

Vier hörenswerte Pop-Alben sind dieser Tage erschienen: Paul McCartney begibt sich unter die Fittiche junger Hit-Produzenten, dazu gibt es Neues von Emiliana Torrini, Gary Numan und Elvis Costello.

 Paul McCartney im Studio, fotografiert von seiner Tochter Mary. Foto: Mary McCartney / Universal

Paul McCartney im Studio, fotografiert von seiner Tochter Mary. Foto: Mary McCartney / Universal

Foto: Mary McCartney / Universal

Ein Ex-Beatle zu sein, ist gar nicht so einfach. Neue Musik wird unweigerlich an der Vergangenheit gemessen. Klingt Paul McCartney wie damals, wird ihm Ideenlosigkeit attestiert; klingt er ganz anders, enttäuscht das die alten Fans. Gibt es überhaupt junge Fans? Zwar füllt der 71-Jährige nach wie vor Arenen mit nostalgieseligen Konzerten, seine letzte britische Top-10-Single "Once upon a long ago" erschien aber noch zu Zeiten Margaret Thatchers, vor 26 Jahren.

Das neue Album scheint das ändern zu wollen. "New" heißt es programmatisch, das Neonröhren-Cover könnte von den Pet Shop Boys stammen, und betreuen ließ sich McCartney gleich von vier angesagten jungen Produzenten - darunter Paul Epworth (Adele) und Mark Ronson (Amy Winehouse). Die scheinen die Legende im Studio unterschiedlich stark gefordert zu haben. Manche Stücke klingen nach gepflegter, aber wenig aufregender McCartney-Routine: der simple Mitklatsch-Folk von "On my way to work" etwa oder der Holzhammer-Refrain von "I can bet". Viel besser ist McCartney da, wo er mehr wagt und bisweilen nicht einmal sofort erkennbar ist. "Appreci-ate", produziert von Giles Martin (Sohn von Beatles-Produzent George Martin), ist ein langsam köchelnder Rocker mit Falsettstimme und druckvollem Refrain - ein Höhepunkt, ebenso wie die schlichte, liebeskranke Ballade "Hosanna", in der McCartney sehr zurückgenommen klingt. Auch Fans der Beatles-Ära bedient er immer wieder, mit Zitaten hier und da. Wollte er nicht ganz aus dem Gewohnten ausbrechen? Oder eine Brücke schlagen zwischen Alt und Neu? Aus einem Guss klingt das Album somit nicht. Aber interessant ist es fast durchweg.

Paul McCartney: New

(Universal).

Es ist ein typisches Emiliana-Torrini-Album, und doch wieder nicht. Einerseits repräsentiert jeder der neun Titel auf "Tookah" (bis auf die etwas einfältige Plastik-Pop-Nummer "Speed of dark") eine der vielen Facetten der Isländerin. Der Titeltrack etwa erinnert mit Electro-Geblubber und sphärischen Keyboards an das Trip-Hop-Debüt "Live in the time of science"; die Ballade "Autumn sun" knüpft an den Folk von "Fish-erman's Woman" an; "Home" passt gut zum unbschwerten "Me and Armini". Was "Tookah" untypisch werden lässt, ist die Uneinheitlichkeit. Anders als bei Vorgängern will sich kein Gefühl für das Album als Einheit einstellen.Was hängen bleibt, sind einzelne Perlen wie "Animal Games", dessen Melodie einem noch lange im Kopf herum schwirrt.

Emiliana Torrini: Tookah (Rough Trade/Indigo).

Sie haben es wirklich getan: Für ein Album entzogen die Musiker der Neo-Soul-Gruppe The Roots ihrem Frontmann, dem Rapper Black Thought, das Mikrofon, um es ausgerechnet einem etwas altbackenen britischen Songwriter-Rentner zu reichen: Elvis Costello. Überraschenderweise ist "Wise up ghost", das Ergebnis dieser Kooperation des Pop-Altmeisters mit den Hip-Hopern aus Philadelphia, ein ziemlich starkes Album geworden. Kein weichgespültes Mischprojekt, sondern tanzbare Soulmusik im typisch düsteren "Roots"-Stil, mit rumpelnden Retro-Beats und satt groovenden Funk-Riffs. Dazu Costellos nasale Stimme, die in dem 15 Titel umfassenden hippen musikalischen Kontext erstaunlich jung klingt. Ein zweites Album soll folgen. Ob Costello dann auch rappen wird?

Elvis Costello & The Roots: Wise up ghost (Blue Note).

1979 brachte Gary Numan dem Synthesizer-Pop mit den Hits "Cars" und "Are friends electric?" den kommerziellen Durchbruch. Das ist 34 Jahre her, Numan ist jetzt 55, hat Bankrotte, Haartransplantionen und stilistische Verirrungen hinter sich - und es gibt ihn immer noch. Heute klingt er ein wenig wie jene Künstler, die sich auf ihn als frühe Inspiration berufen, nicht zuletzt Nine Inch Nails und Marilyn Manson. Auf dem neuen Album "Splinter" verbindet Numan, abwechslungsreich wie lange nicht mehr, pulsierende Elektronik mit donnernden Gitarren, Synthetik-Streichern, eingängigen Melodien und Texten über des Lebens Schattenseiten, bevorzugt mit den Adjektiven "black" und "dark". Ein düsteres Klanggewitter, das immer wieder überraschend poppig aufklart.

Gary Numan: Splinter

(Mortal/Cooking Vinyl).

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