Auf Umwegen zum Vorzeige-LehrlingWieder mehr Arbeitslose im Saarland Arbeitsmarkt BundBundesagentur: Angebot an Lehrstellen sinkt kaum Deutscher Arbeitsmarkt im Abwärtssog

Saarbrücken. Ralf Goltze hat sein Leben wieder im Griff. Seit vergangenem Sommer macht der 23-Jährige aus Friedrichsthal eine Lehre als Tischler bei der Bau- und Möbelschreinerei Günter Bach in Dudweiler. Es ist seine erste Berufsausbildung überhaupt

Saarbrücken. Ralf Goltze hat sein Leben wieder im Griff. Seit vergangenem Sommer macht der 23-Jährige aus Friedrichsthal eine Lehre als Tischler bei der Bau- und Möbelschreinerei Günter Bach in Dudweiler. Es ist seine erste Berufsausbildung überhaupt. Und die hat er dem so genannten Ausbildungsbonus zu verdanken - einem Programm für schwer vermittelbare Jugendliche ohne Schulabschluss, mit Sonderschul-, Hauptschul- oder schlechtem Realschulabschluss. "Wir wollten Ralf eine Chance geben", sagt Schreinermeister Günter Bach. Obwohl er mit Jugendlichen aus sozial schwachen Familien schon zweimal auf die Nase gefallen sei, hat Bach seine Entscheidung bis heute nicht bereut. Im Gegenteil: "Ralf hat sich inzwischen zu unserem Vorzeige-Lehrling gemausert. Manchmal macht er den Jungs aus dem dritten Lehrjahr sogar was vor", schwärmt Bach. Kaum zu glauben bei der Vorgeschichte.Nach dem Hauptschulabschluss in Potsdam ist Ralf orientierungslos. Er weiß nicht, was er werden soll. Die Berufe seiner Eltern als Rechtsanwaltsgehilfin und Taxifahrer gefallen ihm nicht. Ralf macht ein berufsvorbereitendes Jahr im Verkauf und als Fachlagerist. Denn die Aussicht darauf, in einer Halle irgendwann einmal Gabelstapler fahren zu können, findet er gut. Mit 18 Jahren geht er nach Rheinland-Pfalz und landet in einer Drückerkolonne. Zwei Jahre später beantragt Ralf Hartz-IV, macht eine Qualifizierungs-Maßnahme und anschließend ein Praktikum bei der Schreinerei Bach. Dort stellt der junge Mann fest, dass er gerne mit Holz arbeitet. Weil Ralf sich ordentlich ins Zeug legt, stellt ihn der Schreinermeister zum 1. August 2008 als Lehrling ein. "Der Ausbildungsbonus war ein kleiner Anreiz, ihn bei uns in die Lehre zu nehmen", sagt Bach. Dieser Bonus ist laut Bundesagentur für Arbeit eine Prämie für den Arbeitgeber, der einen schwer vermittelbaren Jugendlichen zusätzlich einstellt. Sie richtet sich nach der Höhe des Lehrlingsgehalts und beläuft sich einmalig auf 4000, 5000 oder 6000 Euro. Dazu Agentursprecher Albert Fuchs: "Der Ausbildungsbonus wird im Saarland gut genutzt." Insgesamt 202 Jugendliche, die lange Zeit ohne Ausbildungsplatz waren, konnten so in diesem Ausbildungsjahr vermittelt werden. Das seien rund 2,3 Prozent aller 8891 abgeschlossenen Lehrverträge in 2008. Damit liege das Saarland über dem Bundesdurchschnitt von 1,9 Prozent. Von den insgesamt 4400 saarländischen Jugendlichen, die bislang bei der Arbeitsagentur gemeldet sind und jetzt einen Ausbildungsplatz suchen, seien etwa die Hälfte Altbewerber. Wie hoch die Abbrecherquote unter den bislang mit Ausbildungsbonus vermittelten Jugendlichen im Saarland ist, dazu konnte die Arbeitsagentur noch keine Angaben machen. Ralf Goltze jedenfalls will seine Tischlerlehre bis zum Ende durchziehen: "Mit einer guten Ausbildung in der Tasche, stehen mir alle Türen offen."Saarbrücken. Die Arbeitslosigkeit im Saarland hat zum ersten Mal seit fast 50 Jahren in einem März zugenommen. Üblicherweise geht sie mit Beginn des Frühjahrs zurück. Nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Monat 40 200 Frauen und Männer arbeitslos, knapp 900 mehr als im Februar und 485 mehr als im Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote stieg auf 7,9 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie bei 7,8 Prozent gelegen. "Der Druck auf den Arbeitsmarkt hat sich verstärkt. Noch sind keine dramatischen Veränderungen zu spüren", sagte gestern Ulrich Käser von der Leitung der Regionaldirektion. Der Abwärtstrend halte aber an. Zum vierten Mal in Folge stieg die Zahl der Erwerbslosen. Besonders schlecht lief es in der Industrie, nur im Dienstleistungssektor hält sich die Beschäftigung stabil. Außerdem stellt die Arbeitsagentur "einen rasanten Anstieg der Kurzarbeit fest", so Käser. Er fürchtet, dass bald bis zu 40 000 Arbeitnehmer betroffen sein könnten, eine Größenordnung wie zuletzt in derRezession Anfang der 80er Jahre. Im Dezember zählte die Regionaldirektion rund 300 Kurzarbeiter, im Februar hatten die Unternehmen für 24 900 Menschen Kurzarbeit angemeldet. Zum Vergleich: Im ungleich größeren Rheinland-Pfalz waren es im Februar knapp 22 000. "Die entscheidende Frage ist: Wie lange halten die Unternehmen das durch?", sagte Käser. Die saarländischen Betriebe stellen angesichts der Krise immer weniger ein. Sie meldeten den Arbeitsagenturen im März knapp 1500 freie Stellen, 700 weniger als im Vorjahresmonat. Das entspricht einem Rückgang von fast einem Drittel. mztNürnberg. Mit kräftig steigender Erwerbslosigkeit und der Flucht von Zehntausenden Unternehmen in die Kurzarbeit droht Deutschland eine Jobkrise. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im März 3 586 000 Menschen ohne Arbeit (Quote: 8,6 Prozent). Dies seien 34 000 mehr als im Februar. Damit sei die Arbeitslosigkeit zum Frühjahrsbeginn erstmals seit 1928 gestiegen. "Diese ungewöhnliche März-Entwicklung hat mich persönlich überrascht", sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Nach den starken Anstiegen der Vormonate stellt sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt auch erstmals seit gut dreieinhalb Jahren schlechter dar als im Vorjahr: Im März 2008 waren noch 78 000 Menschen weniger auf Arbeitssuche. Ohne den massiven Einsatz der Kurzarbeit läge die Zahl der Arbeitslosen laut BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker vermutlich deutlich höher. Seit November haben nach Angaben der Bundesagentur rund 50 000 Firmen für 2,3 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. dpaSaarbrücken. Die Zahl der angebotenen Lehrstellen im Saarland ist von Oktober bis März geringer als befürchtet gesunken. "Es gab keinen Einbruch auf dem Lehrstellenmarkt", sagte gestern Ulrich Käser von der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit. Im vergangenen halben Jahr wurden der Agentur rund 4000 Lehrstellen angeboten, 1,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Jugendlichen, die über die Agentur eine Ausbildung suchen, stieg um 2,9 Prozent auf 4400 gestiegen. Angesichts des Doppeljahrgangs an Abiturienten eine niedrige Zahl, meinte Käser. mztMeinung

Düstere Aussichten

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Der Abschwung schlägt immer stärker auf den Arbeitsmarkt durch. Es ist zu fürchten, dass die Zahl der Arbeitslosen im zweiten Halbjahr massiv steigt. Alles hängt davon ab, ob sich im Sommer die Talfahrt der Wirtschaft verlangsamt und erste Anzeichen für eine Trendwende zu erkennen sind. Die Konjunkturprognosen stimmen leider nicht zuversichtlich. Sie werden von Monat zu Monat düsterer. Die sprunghaft steigende Zahl der Kurzarbeiter im Saarland gibt daher Anlass zur Sorge. Kurzarbeit verhindert zwar sofortige Entlassungen. Wenn die Unternehmen aber kaum noch Chancen sehen, dass die Nachfrage nach ihren Produkten bald anzieht, werden sie doch zum Mittel des Stellenabbaus greifen. Hoffentlich aber in geringerem Maße als in früheren Krisen. Denn mittelfristig droht den Unternehmen ein Fachkräftemangel.

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