Auf dem Weg zur einzigen Bahngewerkschaft

Fulda. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer wählte große Worte. Die Bildung der neuen, 240 000 Mitglieder starke Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) aus Transnet und GDBA sei ein "historisch wichtiger Schritt für die deutsche Gewerkschaftsbewegung insgesamt"

Fulda. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer wählte große Worte. Die Bildung der neuen, 240 000 Mitglieder starke Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) aus Transnet und GDBA sei ein "historisch wichtiger Schritt für die deutsche Gewerkschaftsbewegung insgesamt". Die Einheitsgewerkschaft sei "die modernste und zukunftsweisendste Form gewerkschaftlicher Organisation". Die rund 800 Delegierten auf dem EVG-Gründungskongress in Fulda stimmten dem zu, aber außerhalb des Saales wurden Zweifel geäußert."Tarifkonkurrenz führt mittel- und langfristig zu Tarifdumping", sagte Sommer. "Einigkeit macht stark - und nicht Zersplitterung". Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner, bisher Spitzenmann von Transnet, stieß ins gleiche Horn. Der berufsständische Ansatz wie bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) oder der Pilotenvereinigung Cockpit führe zur Spaltung. Die wenigen Spezialisten könnten auch nicht mehr Druck auf Arbeitgeber aufbauen als ihre vielen Kollegen. "Ein Lokführer kann dafür sorgen, dass sein Zug nicht fährt", sagte Kirchner. "Aber wir haben Leute, die mit einem Streik die ganzen Oberleitungen lahmlegen können."

Demnach müsste sich gerade die GDL, die eigenen Angaben zufolge 34 000 Mitglieder hat, den zahlenmäßig weit überlegenen Kollegen annähern. Die will von mehr Zusammenarbeit aber nichts wissen. "Dass die EVG ein Interesse daran hat, uns unter ihre Fittiche zu bringen und uns damit zähmen zu wollen, können wir zwar nachvollziehen", sagte GDL-Chef Claus Weselsky. "Diesem Wunsch werden wir aber nicht nachkommen."

GDL: Größe ist keine Stärke

Wenn morgen das Schlichtungsverfahren im Streit über einen Branchentarifvertrag für den Regionalverkehr beginnt, steht die GDL deshalb außen vor. Die EVG will einen einheitlichen Branchentarif für alle Bahnangestellten erkämpfen. Die GDL strebt dagegen einen Rahmentarifvertrag für alle deutschen Lokführer an. "Aus Größe entsteht keine Stärke: Wenn sich zwei schwache Gewerkschaften zusammentun, wird erst recht keine starke daraus", sagt Weselsky.

Für EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel ist das "Steinzeitpolitik". "Aber das habe ich nicht anders erwartet. Die GDL hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt." Und die stünden heute eben auf Kooperation. Das war jedoch längst nicht immer so. "Auch wir haben uns Jahrzehnte durch Abgrenzung definiert", gesteht der frühere GDBA-Chef. "Da waren wir glücklich, den anderen ein Mitglied abgejagt zu haben."

Diese Zeiten sind vorbei, bei der EVG geht es jetzt grundsätzlich darum, Menschen neu für die Gewerkschaft zu begeistern, sagte Hommel. Dies sei das erste Ziel. Denn die Altersstruktur in der Gewerkschaft ist alles andere als in die Zukunft gerichtet. Beinahe die Hälfte ihrer Mitglieder sind Rentner.

Gleich auf ihrem Gründungskongress hat sich die EVG politisch positioniert. Von der Bundesregierung forderte sie eine Investition von jährlich einer Milliarde Euro in das Schienennetz und einen Masterplan für den gesamten Verkehr in Deutschland.

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