Auf dem absteigenden Ast

Als einen attraktiven Standort im Herzen Europas preist die Landesregierung unsere Region allzu gerne. Nur: Wer zu uns kommen will, braucht viel Geduld, Nerven und Humor. Macht er sich per Bahn auf den Weg, findet er sich nach der Streichung einer ICE-Verbindung auf der Strecke Frankfurt-Paris womöglich in einer Regionalbahn wieder. Da bleibt mehr als genug Zeit, die Gegend kennenzulernen: Gehalten wird "an jeder Milchkanne" von Frankenstein bis Schafbrücke. Etwas zu essen, zu trinken oder zu lesen bekommt man in diesen Zügen nicht, auch keinen Internet-Anschluss. Traurige Zustände etwa für Unternehmer, die während der Fahrt womöglich über ein Engagement oder eine Ansiedlung an der Saar nachdenken.

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Foto: Robby Lorenz

Mehr Zeit als geplant verbringen Reisende derzeit auch am Flughafen Berlin-Tegel , wenn sie von dort an die Saar fliegen wollen. Viele der Maschinen heben deutlich verspätet ab - oder überhaupt nicht. Ob Air Berlin angesichts ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten Saarbrücken auch längerfristig noch ansteuern wird, ist offen. Hat die Landesregierung für diesen Fall überhaupt einen "Plan B"? Zu hören ist davon nichts.

Wer die Nerven hat, mit dem Auto an die Saar zu reisen, der entdeckt den Panoramablick auf die Landeshauptstadt von der Fechinger Talbrücke aus bei Dauer-Tempo 60. Oder er versauert auf der Umleitung im Stau, so wie alle Lkw über 3,5 Tonnen. Bei Speditionen, Industrie-Unternehmen und Handwerksbetrieben hat das bereits zusätzliche Millionenkosten verursacht.

Die Verkehrspolitik an der Saar und die "Durchsetzungskraft" der Landesregierung im Kampf gegen all diese Zustände entsprechen dem, was gängige Vorurteile über das Saarland besagen: tiefste Provinz. Und der Verkehrs-Entwicklungsplan für den Öffentlichen Personennahverkehr, den Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger jetzt auf den Weg bringen will, wird wohl auch nicht der große Wurf werden. Denn zu viele Verkehrsunternehmen und damit zu viele Eigeninteressen sind da am Verhandlungstisch versammelt.

Was muss getan werden? Investitionen sollten vorrangig in die Erneuerung der Straßen fließen sowie in den zügigen Breitband-Ausbau zur Internet-Nutzung. Denn Unternehmen brauchen freie Fahrt auf der Datenautobahn. Baustellen müssen besser zwischen Land und Kommunen koordiniert und deutlich früher bekannt gegeben werden. Weil bei der Verbesserung der Bahnverbindungen fürs Saarland zumindest bis 2020 der Zug abgefahren ist, sollte sich das Land wenigstens um zuverlässige Flugverbindungen kümmern. Bevor in Ensheim die nächste Großbaustelle entsteht. Verkehrspolitik muss in der Landesregierung dringend einen deutlich höheren Stellenwert bekommen.

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