Atomkonzerne wehren sich

Düsseldorf/Brüssel. Die deutschen Kernkraftwerksbetreiber gehen gegen die Pläne der Bundesregierung für den Atomausstieg auf die Barrikaden. RWE-Chef Jürgen Großmann forderte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich längere Laufzeiten für das Kernkraftwerk Gundremmingen B

Düsseldorf/Brüssel. Die deutschen Kernkraftwerksbetreiber gehen gegen die Pläne der Bundesregierung für den Atomausstieg auf die Barrikaden. RWE-Chef Jürgen Großmann forderte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich längere Laufzeiten für das Kernkraftwerk Gundremmingen B. Nach seinen Vorstellungen soll der bayerische Reaktor nicht schon 2017, sondern erst Ende 2021 vom Netz gehen. Großmann sieht RWE durch die Pläne zur Abschaltung der Reaktoren benachteiligt. Der Konzern könne seine Reststrommengen wegen der frühen Abschaltung von Gundremmingen B nicht annähernd verbrauchen."Dass die Bundesregierung das Aus der Kernenergie beschlossen hat, müssen und werden wir selbstverständlich akzeptieren", schrieb Großmann. Es sei aber unverständlich, warum Gundremmingen B vier Jahre früher abgeschaltet werden solle als der baugleiche und nur wenige Monate später in Betrieb gegangene Schwesterreaktor Gundremmingen C. Beide Kernkraftwerke "sollten den gleichen Abschalttermin erhalten, also Ende 2021", bat Großmann. Nur so könne sichergestellt werden, dass RWE nicht große Reststrom-Mengen unter Wert veräußern müsse oder gar verliere. RWE brauche das Geld für Investitionen in erneuerbare Energien.

Der schwedische Stromkonzern Vattenfall forderte unterdessen "eine faire Behandlung und eine faire Entschädigung für unsere Verluste aufgrund der Regierungsentscheidung", sagte Unternehmenschef Øystein Løseth. Das Unternehmen habe rund 700 Millionen Euro in die beiden Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel in den letzten Jahren investiert. Dies müsse berücksichtigt werden, wenn es um Entschädigung gehe. Deutschlands größter Energieversorger Eon war bereits in der vergangenen Woche auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung gegangen. Er kündigte eine Klage gegen die Brennelementesteuer an und forderte einen Ausgleich für die durch die Energiewende entstehenden Vermögensschäden in Milliardenhöhe.

Der Atomausstieg sorgt auch in einigen europäischen Ländern für Verstimmung. Die EU-Energieminister wollen am Freitag in Luxemburg über die deutsche Entscheidung reden. Das berichteten Brüsseler Diplomaten. "Die Entscheidung Deutschlands hat auch Folgen für den europäischen Binnenmarkt", sagte die Sprecherin des EU-Energiekommissars Günther Oettinger. Deutschland fungiert in Stoßzeiten als Puffer für die Stromversorgung einiger EU-Staaten. Nachbarländer fürchten daher, dass es in Spitzenzeiten - im Hochsommer oder im Winter - nach der Abschaltung von deutschen Reaktoren zu Stromausfällen kommen könnte. Zudem könnten in anderen Ländern deshalb die Strompreise steigen. Insbesondere Frankreich befürchtet Engpässe. Frankreich bezieht mehr Strom aus Deutschland als umgekehrt, da es vor allem im Winter auf den Stromimport angewiesen ist. dapd/dpa

Meinung

Auch RWE & Co haben Rechte

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Regierung setzt sich mit ihren Beschlüssen ungeniert über Eigentumsrechte der Energiekonzerne hinweg. Erst wird eine längere Laufzeit per Gesetz zugesagt, dann setzt Schwarz-Gelb die Regelung handstreichartig außer Kraft und verkündet schließlich den Atomausstieg. Dies können die Konzerne angesichts der zu erwartenden Milliardenverluste nicht klaglos hinnehmen. Aber es geht hier auch um Grundsätzliches: Ein Rechtsstaat, der ein Gesetz nach nur neun Monaten wieder kippt, setzt sich dem Vorwurf der Unberechenbarkeit aus. Allein deswegen ist eine Klage fällig. Das Fatale daran: Für diese desaströse Politik müssen am Ende die Steuerzahler geradestehen.

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