"Athen wird viel Mut brauchen"

Brüssel. Von einer Gefahr für den Euro will Jean-Claude Juncker nichts wissen. Zum vierten Mal haben die Minister der Euro-Zone den Luxemburger zu ihrem "Leitwolf" gewählt. Prompt gab der Regierungschef und Finanzminister des Fürstentums gestern Parolen zur Beruhigung der Finanzmärkte aus

Brüssel. Von einer Gefahr für den Euro will Jean-Claude Juncker nichts wissen. Zum vierten Mal haben die Minister der Euro-Zone den Luxemburger zu ihrem "Leitwolf" gewählt. Prompt gab der Regierungschef und Finanzminister des Fürstentums gestern Parolen zur Beruhigung der Finanzmärkte aus. Das dramatische griechische Finanzchaos sei kein Risiko für die Stabilität der Gemeinschaftswährung. "Ich glaube, dass die Regierung Schritte unternehmen will, die dem Ausmaß des Problems angemessen sind. Sie wird viel Mut brauchen", sagte Juncker. Tatsächlich präsentierte Athens Finanzminister Giorgos Papakonstantinou seinen Kollegen ein Sparprogramm, das schwindelerregend ist. Das derzeitige Defizit von 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes soll bis 2012 auf unter drei Prozent gedrückt werden. Zum Vergleich: Die Bundesregierung will ab 2011 die Verschuldung von mutmaßlich fünf Prozent bis 2014 wieder unter die Maastrichter Hürde bringen. Der griechische Weg: eisernes Sparen und Steuerhöhungen. "Man kann sagen, dass der Regierung in Athen die Herausforderung bewusst ist", zeigte sich der scheidende EU-Währungskommissar Joaquin Almunia zufrieden. Allerdings könnte Brüssel durchaus die Daumenschrauben anziehen, falls das Land am Peloponnes nicht konsequent alle Vorhaben durchzieht. So steht den Finanzministern die Möglichkeit offen, Griechenland das Anbieten von Staatsanleihen auf dem Finanzmarkt zu verbieten. Athen könnte zu Geldbußen verdonnert werden oder dazu, bestimmte Summen in Brüssel zu hinterlegen, bis das Defizit beseitigt ist. Am Ende wäre Griechenlands Autonomie nahezu vollständig aufgehoben, weil jeder Euro, den das sozialistische Kabinett von Georgios Papandreou ausgeben würde, zuvor von der Kommission genehmigt werden müsste.So weit soll es aber nicht kommen. Die Regierung muss "knallhart sanieren, wie von der Kommission gefordert", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Das aber könnte zu einem waghalsigen innenpolitischen Abenteuer werden. Schon nach der Bekanntgabe der ersten Pläne, die Beamtengehälter um vier Prozent zu kürzen, schwappte eine Welle des Widerstands durch das Land. Und das war nur der Anfang. Dabei, so stellte sich inzwischen heraus, hat die frühere Athener Führung nicht einmal so übel gewirtschaftet, wie es die Zahlen vermuten lassen. In Wirklichkeit lieferten die Statistiker der Athener Behörden nur schlicht falsche Daten, die dazu beitrugen, das tatsächlich vorhandene Finanzloch schön zu rechnen. Die EU-Finanzminister machten gestern klar, dass eine Lösung zunächst "Sache Griechenlands" sei. Allerdings gehe das Thema alle an. "Wir wollen jetzt endlich einmal Daten haben, denen wir vertrauen", sagte der finnische Kassenwart Jyrki Katainen. Die sollen bis zum nächsten Treffen vorliegen. Und dann wollen die Finanzminister bereits Fortschritte sehen. Meinung

Euro-Angst

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Die Angst um den Euro kann Juncker nicht vom Tisch wischen. Griechenland hat mit seiner kreativen Buchführung allen 16 Euro-Ländern geschadet. Lässt man Athen nämlich seine Probleme alleine lösen, werden die Finanzmärkte aus Angst vor Zahlungsausfällen immer zurückhaltender. Steigt die Gemeinschaft in die Problemlösung ein, könnte der gesamte Euro-Raum zur Risikozone werden. Zumindest aus Sicht der Anleger. In dieser Situation haben die Finanzminister gestern den richtigen Weg gewählt. Noch ist Zeit, die Regierung in Athen zu überzeugenden Reformen zu drängen. Trotz des Widerstands im Land gibt es keinen anderen Weg, als eisern zu sparen und trotzdem auf höhere Einnahmen zu pochen. Ob der Druck aus Brüssel dafür reicht, muss sich zeigen. Spätestens diese Frage aber belegt: Es geht auch darum, ob der Stabilitätspakt wirklich hält, wofür er ersonnen wurde. Das Interesse der Euro-Länder an einer möglichst raschen Gesundung hat auch egoistische Gründe. Probleme mit der Gemeinschaftswährung könnten die labile wirtschaftliche Erholung wieder zunichte machen. Und das können die 27 Mitgliedstaaten nicht brauchen. Dabei ist Athen nicht das einzige Risiko. Europa hat noch mehr Kandidaten, die täglich einen Kollaps fürchten müssen.

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