Arbeitskammer fordert mehr „gute Arbeit“

Saarbrücken · Ob Mindestlohn, Ausbildung oder Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz – aus Sicht der Arbeitskammer des Saarlandes muss sich noch eine Menge verbessern, um das Ziel der „guten Arbeit“ zu erreichen.

Ein fester, ordentlich bezahlter Job, nette Kollegen und Chefs, nicht gar so viel Stress und körperliche Belastung - dies alles wünscht sich wohl jeder Arbeitnehmer, und dies fassen Gewerkschafter gerne mit dem Schlagwort "gute Arbeit " zusammen und schreiben es sich als politisches Ziel auf die Fahnen. So auch die Arbeitskammer des Saarlandes in ihrem Bericht an die Landesregierung. Die Kammer sieht nach Jahren der Deregulierung in der Arbeitswelt Fortschritte zum Besseren. "Einige Dinge sind auf den Weg gebracht", aber "wir sind auch im Saarland noch ein großes Stück von ,guter Arbeit‘ entfernt", sagte gestern Hans Peter Kurtz, der Vorstandschef der Arbeitskammer. Das Tariftreuegesetz, der gesetzliche Mindestlohn , das Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar, das Bündnis für Arbeits- und Gesundheitsschutz - all dies verbucht er als Fortschritte in Richtung "gute Arbeit".

Doch "wir haben noch knallharte Forderungen", sagte Kurtz. Beispiel Mindestlohn : Wenn Unternehmer über zu viel Bürokratie klagen, weil sie Arbeitszeitkonten führen müssen, "haben die andere Dinge im Sinn": nämlich den Mindestlohn aushebeln. "Zum Mindestlohn gehört auch die Kontrolle", und zwar eine schärfere, forderte Kurtz. Um Lohndumping zurückzudrängen, verlangt die Kammer in ihrem Bericht darüber hinaus weitere Vorgaben für Firmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder der Wirtschaftsförderung: etwa Obergrenzen für Werkverträge oder Mindestquoten bei der Ausbildung.

Die Landesregierung habe auch angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels mit dem Fachkräfte-Bündnis den richtigen Weg eingeschlagen. Doch gebe es nach wie vor rund "50 000 Menschen, die gern an guter Arbeit teilhaben würden", aber außen vor seien, sagte Kurtz. So groß sei nämlich die sogenannte Unterbeschäftigung, die neben den rund 37 000 Arbeitslosen - darunter anhaltend viele Langzeitarbeitslose - all diejenigen mitzählt, die in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung stecken. Kurtz sieht daher einen hohen "Um- und Weiterqualifizierungsbedarf" - und die Arbeitsagentur in der Pflicht, entsprechende Angebote zu machen. Schließlich "fallen gute Fachkräfte nicht vom Himmel. Sie müssen ausgebildet werden." Das betreffe auch die Erstausbildung und die Weiterbildung . Mehr als 3200 ausbildungsinteressierte Jugendliche haben dem Kammerbericht zufolge 2014 keine Lehrstelle bekommen, und in 58 Prozent der Betriebe spiele Weiterbildung nur eine geringe oder keine Rolle. Die Kammer fordert daher die Betriebe auf, auch jungen Leuten mit schlechteren Voraussetzungen eine Chance zu geben. Ziel sei eine Ausbildungsgarantie, mit der jedem ein Weg zu einem Berufsabschluss angeboten werde. Und auch mehr geringer Qualifizierte und Ältere müssten in die Weiterbildung einbezogen werden.

Darüber hinaus müsse die betriebliche Gesundheitspolitik einen höheren Stellenwert bekommen, so Kurtz. Nach dem AK-Betriebsbarometer, einer Umfrage unter mehreren hundert Betriebs- und Personalräten, weisen drei Viertel der Firmen und Verwaltungen hohe Belastungswerte in puncto Zeit- und Leistungsdruck auf. Daher solle sich das Saarland für eine bundesweite Anti-Stress-Verordnung stark machen, verlangte Kurtz. Zudem müsse das Personal der Arbeitsschutzbehörde aufgestockt und der verwaiste Lehrstuhl für Arbeitsschutz an der medizinischen Fakultät in Homburg endlich wieder besetzt werden.

Alles in allem "hilft ,gute Arbeit' nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch den Unternehmen", sagte Kurtz. Firmen mit guter Arbeit "sind die erfolgreicheren".

Meinung:

Noch nicht gut genug

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Gewerkschaftsparole von der "guten Arbeit" ist für viele Unternehmer noch immer ein Reizwort. Doch hier gilt es, ideologisch abzurüsten. Die Arbeitskammer weist mit Recht darauf hin, dass all das, wofür gute Arbeit steht, von ordentlicher Bezahlung bis zur Weiterbildung , auch den Betrieben guttut - gerade in Zeiten, in denen es schwieriger wird, Fachkräfte zu finden. Schwer wird's jedoch, wenn es um die gering Qualifizierten geht. Arbeitsagenturen sowie die öffentliche Hand müssen mehr als bisher tun, damit auch die Schwächeren an "guter Arbeit" teilhaben können.

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