Arbeitskammer-Chef findet höhere Beiträge für Gutverdienende in Ordnung

Saarbrücken · Mit der Beratung von Arbeitslosen erschließt sich die Arbeitskammer ein neues Betätigungsfeld. Sie will den Ratsuchenden unter anderem beim Ausfüllen oder der Überprüfung von Antragsformularen helfen.

Die Arbeitskammer (AK) des Saarlandes genehmigt sich einen Schluck aus der Finanz-Pulle. Anfang des kommenden Jahres steigt zwar nicht der Beitragssatz für die 340 000 saarländischen Arbeitnehmer , die Beiträge zahlen. Dieser bleibt bei 0,15 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts. Aber die Bemessungsgrenze wird von 4650 auf 6200 Euro angehoben (wir berichteten). Wer mehr als 6200 Euro verdient, zahlt stets den gleichen Beitrag, der sich von jetzt 6,98 Euro auf künftig 9,30 Euro pro Monat in der Spitze erhöht.

Für den AK-Vorstandsvorsitzenden Hans Peter Kurtz ist dieser Aufschlag kein Problem. Da es nur die Besserverdienenden treffe, sei dies ein Akt der Solidarität, "weil starke Schultern mehr tragen können als schwache". Auch Dietmar Geuskens, einer von Kurtz' Stellvertretern, sieht die Entscheidung entspannt. Dieser Schritt sei schon länger geplant gewesen. "Jetzt haben wir das mal glattgezogen." Rund 46 000 Frauen und Männern mit "starken Schultern" sind von dieser Beitragserhöhung betroffen, so der designierte AK-Hauptgeschäftsführer Thomas Otto. Er und Kurtz verweisen auf die Arbeitnehmerkammer in Bremen, neben dem Saarland das einzige der 16 Bundesländer oder Stadtstaaten, das eine solche Einrichtung hat. Dort gebe es bei einem Beitragssatz von 0,15 Prozent keine Bemessungsgrenze. "Die Fußballstars von Werder Bremen zahlen von ihren hohen Gehältern auch 0,15 Prozent."

Mit den geschätzten Mehreinnahmen von 600 000 Euro will die AK vor allem die Beratung ausweiten. Denn sie hat künftig 35 000 Schützlinge mehr, weil ab 2016 auch Arbeitslose beitragsfreie Mitglieder sind - ebenso wie jetzt schon Minijobber und Azubis. Kurtz und Otto sind davon überzeugt, dass es "bei den Arbeitslosen einen starken Beratungsbedarf gibt" - auch wenn für sie eigentlich die Arbeitsagentur und das Jobcenter zuständig sind. "Zu uns können die Arbeitslosen kommen, wenn sie beispielsweise Probleme mit Anträgen haben. Wir helfen beim Ausfüllen, schauen drüber, machen auf Fehler aufmerksam oder hören nach, wenn das Geld nicht kommt", nennt Otto einige Beispiele.

Das neue AK-Angebot begrüßt auch Arbeitsministerin Anke Rehlinger (SPD ). Aus ihrer Sicht "ist es richtig, dass künftig Arbeitslose gezielt beraten und betreut werden können". Ihr Ministerium ist auch die AK-Aufsichtsbehörde und für die Genehmigung des Kammer-Haushalts zuständig, der sich 2016 auf 18 Millionen Euro beläuft. Grünes Licht wurde bereits am 2. Dezember signalisiert. In Persona hat das Beatrice Zeiger gemacht, stellvertretende Leiterin der Arbeitsmarktabteilung im Hause Rehlinger. Zeiger wechselt zum 1. März als Geschäftsführerin in die Arbeitskammer. "Wir haben uns für sie entschieden, weil sie eine hervorragende Juristin mit Verwaltungserfahrung ist", sagt Kurtz. Ein "Geschmäckle" erkennt er nicht. "Ich komme aus der kaufmännischen Ecke. Wir werden uns gut ergänzen", sagt Otto als ihr künftiger Chef.

Meinung:
Schamlose Selbstbedienung

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Die eigenmächtig beschlossene Beitragserhöhung der Arbeitskammer ist an Schamlosigkeit nicht zu überbieten. Die Arbeitskammer weitet einfach mal die Zielgruppe ihrer Beratung aus und bittet dafür Arbeitnehmer zwangsweise zur Kasse. Dabei gibt es längst staatlich finanzierte Beratung für eben diese Zielgruppen. Ein Skandal auch, dass ein SPD-geführtes Ministerium als Aufsichtsbehörde der Arbeitskammer, die von einem SPD-Landtagsabgeordneten geleitet wird, das durchgehen lässt. Arbeitskammer-Chef Kurtz führt als Rechtfertigung die Arbeitskammer in Bremen an, bei der es schon lange keine Bemessungsgrenze für den Beitrag gebe. Dann muss er sich aber auch vorhalten lassen, dass 14 Bundesländer ohne Arbeitskammer auskommen und dort trotzdem die Arbeitnehmerrechte gewahrt sind.

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