Arbeitgeber wollen die Tarifeinheit zurück

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich offen für die Forderung der Arbeitgeber gezeigt, per Gesetz zur Tarifeinheit zurückzukehren und den Einfluss kleiner Spartengewerkschaften damit zurückzudrängen. "Ich möchte, dass wir da zu einer Lösung kommen, insofern sollten wir das noch einmal in Angriff nehmen", sagte Merkel gestern auf dem Arbeitgebertag in Berlin

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich offen für die Forderung der Arbeitgeber gezeigt, per Gesetz zur Tarifeinheit zurückzukehren und den Einfluss kleiner Spartengewerkschaften damit zurückzudrängen. "Ich möchte, dass wir da zu einer Lösung kommen, insofern sollten wir das noch einmal in Angriff nehmen", sagte Merkel gestern auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Angesichts der breiten Unterstützung für einen solchen Schritt sollte man sich gemeinsam an einen Tisch setzen: "Dann müsste es doch binnen eines Abends möglich sein, ein Gesetz über die Tarifeinheit hinzubekommen", sagte die Kanzlerin unter dem Beifall der Gäste.Merkel griff damit einen Vorstoß von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt auf. Der hatte die Bundesregierung zuvor mit Blick auf die jüngsten Arbeitskämpfe zum Handeln aufgefordert. "Das ist eine Existenzbedingung für eine funktionierende Tarifpartnerschaft, auch in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, auf Flughäfen oder beim Schienenverkehr, bei Betriebsfeuerwehren oder Vorfeldlotsen."

Streiks kleinerer Gewerkschaften hatten zuletzt im Luft- oder im Schienenverkehr erhebliche Auswirkungen gehabt. "Mittlerweile haben sich weitere neue Spartengewerkschaften gebildet, es haben sich - schneller, als wir es für möglich gehalten haben - tarifwidrige Arbeitskämpfe trotz bestehender Tarifverträge abgespielt", kritisierte Hundt. "Der Beweis ist längst erbracht: Eine zukunftsfähige Tarifautonomie braucht die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit." Hundt wies darauf hin, dass sich neben anderen Kabinettsmitgliedern kürzlich auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) für einen solchen Schritt ausgesprochen hatte. Merkel schlug ein gemeinsames Treffen mit den Arbeitgeberverbänden (BDA) vor. Sie lade DGB-Chef Michael Sommer gleich mit ein. "Dann haben wir eine schöne Gesprächsrunde. Denn hier gibt es ja eine seltene Harmonie von BDA und DGB, und die wollen wir dann auch voll auskosten - wenn es schon keine volle Harmonie in der Bundesregierung gibt."

Der Grundsatz der Tarifeinheit - "ein Betrieb, ein Tarifvertrag" - war 2010 vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben worden. Er besagte, dass einzelne Berufsgruppen nicht mehr für die Durchsetzung von Sonderregelungen streiken durften, sobald ein Tarifvertrag für ganze Branchen oder einzelne Unternehmen geschlossen war. Seither hatten immer wieder Spartengewerkschaften ihre Forderungen für einzelne Berufsgruppen mit Streiks durchgesetzt, die massive Auswirkungen hatten. Dazu zählte im Frühjahr unter anderem der Arbeitskampf von etwa 200 Beschäftigten auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens.

Die Arbeitgeber hatten bereits nach dem Urteil 2010 auf eine gesetzliche Regelung gedrungen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte die Initiative damals mitgestartet, sie war aber im Sande verlaufen.

Foto: dapd

Meinung

Die Freiheit zählt

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Obwohl das Bundesarbeitsgericht die Tarifeinheit gekippt hat, ist die befürchtete Zersplitterung der Tariflandschaft ausgeblieben. Auch wird Deutschland nicht alle paar Monate von massiven Streiks erschüttert, so nervig der Ausstand der Bodenlotsen am Frankfurter Flughafen oder der Flugbegleiter der Lufthansa auch gewesen sein mag. Bevor ein Gesetz das Grundrecht von Arbeitnehmern einschränkt, sich frei zu Gewerkschaften zusammenzuschließen, müssen die Auswirkungen auf die Wirtschaft schon unerträglich sein. Davon ist Deutschland weit entfernt. Spartengewerkschaften lassen sich nicht so einfach wieder aus der Welt schaffen. Und das ist auch gut so.

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